Süddeutsche Zeitung

S-Bahn:Stellwerk-Ärger am Ostbahnhof bleibt

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Mit der neuen Anlage sollte der S-Bahnverkehr zuverlässiger werden. Doch jetzt wird die Inbetriebnahme um etwa ein Jahr nach hinten verschoben und die Probleme für Pendler bleiben.

Von Andreas Schubert

Das mehr als 50 Jahre alte Stellwerk der Deutschen Bahn (DB) am Ostbahnhof ist für Fahrgäste seit Jahren eines der größten Ärgernisse. Vor drei Jahren dann, nach einem Besuch von Ministerpräsident Markus Söder und dem damaligen Infrastruktur-Vorstand der DB, Ronald Pofalla, schien ein Hoffnungsschimmer auf: Damals gelobte die Bahn, das störanfällige Relais-Stellwerk aus den Siebzigerjahren rasch durch ein elektronisches zu ersetzen. Im Sommer 2023, so hieß es damals, werde es an den Start gehen. Und noch im März dieses Jahres hielt die DB an 2023 fest, wenn auch erst im Herbst.

An diesem Donnerstag aber kam die Meldung: Die Inbetriebnahme verzögert sich bis August 2024. Die Bahnkunden müssen also noch ein Jahr länger mit Störungen und Ausfällen leben. Dazu kommen noch die durch die Baustellen der DB bedingten Sperrungen auf der Stammstrecke, die auch mit dem Bau des neuen Stellwerks zusammenhängen.

Zur Begründung führt die DB an, dass sie für die Inbetriebnahme des Stellwerks nun noch rund 400 Kilometer Kabel verlegen sowie zahlreiche Signale errichten und anschließen müsse. Danach folgten intensive Tests sowie Prüfungen und Abnahmeprozesse, damit das Stellwerk zuverlässig, störungsfrei und vor allem sicher funktioniere. Dieser Prüf- und Abnahmeprozess werde länger dauern als geplant, heißt es nun.

"Wir wollen und können nur mit 100 Prozent Sicherheit an den Start gehen", sagt Kai Kruschinski, Projektleiter der zweiten Stammstrecke. Die Verzögerung sei auch bedingt durch einen bundesweiten Ressourcen-Engpass beim Einsatz von Plan- und Abnahmeprüfern. Ein weiterer Grund sei das hochkomplexe S-Bahn-System mit über tausend Zugfahrten pro Tag auf der bestehenden Stammstrecke. Auf einer der meistfrequentierten Eisenbahnstrecken Europas sei eine spezielle Leit- und Sicherungstechnik verbaut - das mache den Prüf- und Abnahmeprozess noch einmal anspruchsvoller. Nun muss die Bahn die Prüf- und Abnahmephasen neu planen. Dabei müsse man bereits fest eingeplante Zeitfenster anderer Baumaßnahmen berücksichtigen.

"Wir brauchen die Digitalisierung, um dem erwartbaren Mangel an Fahrdienstleitern entgegenzuwirken"

Der Fahrgastverband Pro Bahn ist erwartungsgemäß wenig begeistert von dieser enormen Verzögerung. Dies sei keine gute Nachricht für die Fahrgäste, die unter den Störungen des Stellwerks seit Langem leiden, sagt Norbert Moy, Vorsitzender von Pro Bahn Oberbayern. Was die fehlenden Abnahmeprüfer angeht, mahnt er an, dass die DB die S-Bahn München beim Personaleinsatz priorisieren müsse, statt nur allgemein den Fachkräftemangel als Grund anzuführen. "Hier ist die Landespolitik als Aufgabenträger gefordert, dies auch offensiv einzufordern", so Moy.

Auf keinen Fall dürfe die Verzögerung beim elektronischen Stellwerk Ost jetzt zu weiteren Verzögerungen bei der sogenannten Umweltverbundröhre in Laim führen, sagt Moy. Denn dort sei der Anschluss des neuen Bahnsteigs schon von Ostern dieses Jahres auf die August-Sperrpause verschoben worden. "Eine weitere Verzögerung dort wäre auch für die städtischen Projekte schlimm", meint er in Bezug auf die Tram-Westtangente, die durch die Röhre in Laim führen wird.

Lukas Iffländer, Vorsitzender von Pro Bahn Bayern, sorgt sich insgesamt um die Digitalisierung der Schiene. "Wenn schon ein Eins-zu-eins-Ersatz so verzögert wird, schwant Übles, wenn angedacht ist, viele Strecken signaltechnisch neu zu planen, um bis zu 30 Prozent mehr Züge unterzubringen."

Wie die DB das gesetzte Ziel von 2035 oder 2040 für eine vollständige Digitalisierung des Bahnsystems in Deutschland halten möchte, sei ein Rätsel. Hier müsse der Bund stärker eingreifen, um dieses Ziel zu erreichen. "Wir brauchen die Digitalisierung, um dem erwartbaren Mangel an Fahrdienstleitern entgegenzuwirken", so Iffländer. Gelinge dies nicht, seien künftig nicht Stellwerksstörungen das Problem, sondern Stellwerke, die nicht arbeiten, weil kein Personal da ist.

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