Süddeutsche Zeitung

Kolumne Hertzkammer:Kraftvoll knarzen

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Zugewandtheit zwischen Seemannslied und Electropunk: Der musizierende Bodybuilder Roger Baptist alias Rummelsnuff kommt ins Feierwerk.

Von Martin Pfnür  , München

Will man von den ganz und gar eigenen Sujet-Gewässern erzählen, auf denen der gebürtige Sachse Roger Baptist als stimmbandverknarzter Käpt'n namens Rummelsnuff dahinschippert, so reicht im Grunde ein kurzer Abriss seines aktuellen Albums "Äquatortaufe". Es beginnt mit einer Ode auf die Zuverlässigkeit der Berliner U-Bahn, die bei ihm als funkenspeiender "Gelber Drache" durch den schwarzen Rachen der Hauptstadt rauscht; setzt sich fort mit trashig elektrifizierter Seemannsromantik, die etwa ein umschwärmter "Bootsmann" evoziert, indem er im tuckernden Takt seines Dieselmotors zu Bier und Schifferklavier greift; und fächert sich dann auf in einen bunten thematischen Strauß an Songs, in denen Rummelsnuff geldgeilen Investoren "Berlinverbot" erteilt, die körperlichen Resultate des Gewichthebens und die routinierte Arbeit der Müllabfuhr preist oder zusammen mit seinem varietéhaft trällernden Maat Christian Asbach eine A-Cappella-Hommage auf das Sauerkraut einsingt.

Nun könnte sich bei einer derartigen Fülle an altbackenen Freddy-Quinn-Reminiszenzen, ausgestelltem Muskelfetischismus und Lobliedern auf "einfache Leute" oder das deutscheste aller Gemüse ein wenig der Verdacht aufdrängen, dass sich da einer in der unseligen Verbindung von bräunlicher Heimatduseligkeit und Körperkult verloren hat. Dabei reicht bereits ein Blick auf das Cover von "Äquatortaufe", um diesen zu entkräften. Erklärt die dezidiert schwule Art und Weise, auf die Käpt'n und Maat dort in ihren knallrot leuchtenden Unterbuchsen mit ihrem Hantelgerät posieren, doch ungleich mehr, als Worte es vermögen.

So spielerisch wie provokant

Zwar liegt nicht wenigen Rummelsnuff-Songs, und dabei vor allem dem bleischwer heraufgewuchteten Electropunk-Frühwerk, ein Stück weit auch jener spielerisch-provokante Umgang mit der teutonisch polternden Links-zwo-drei-vier-Ästhetik zugrunde, der schon bei Bands wie Rammstein oder Laibach für so manche Konfusion (und grundfalsche Vereinnahmung von rechts) gesorgt hat. Das ebenso alltagsulkige wie solidarisierende und affirmativ zugewandte Moment, das unter der rauen Oberfläche dieser mit günstigsten Mitteln kreierten Lieder hervorschimmert, bleibt davon dennoch unberührt. Der brummelnde Käpt'n, er ist bei allem Linksdrall weiterhin stramm auf Kurs Richtung Herzgegend.

Rummelsnuff , Freitag, 24. Juni, 21 Uhr, München, Kranhalle, Hansastraße 39

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