Süddeutsche Zeitung

Kinderbetreuung in München:Grüne rufen "Kita-Krise" aus

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Von Heiner Effern, München

Das Familienglück zum Start des Schul- und Kitajahres können so einige Missgeschicke trüben: kein Freund in der neuen Klasse des Kindes, die Erzieherin im Hort, die jetzt schon genervt wirkt, nicht enden wollende Heulkrämpfe bei der Eingewöhnung der Kleinsten in der Krippe. Ganz oben auf der Liste steht bei manchen Eltern jedoch die Suche nach einem Betreuungsplatz. Die Vergabe laufe nach wie vor, sagt eine Sprecherin des Bildungsreferats. Wie viele Familien noch keinen Platz hätten, könne man wegen der laufenden Verfahren nicht sagen. Jede einzelne sei Mitte September aber eine zu viel, finden die Grünen im Rathaus und rufen kurzerhand die Kita-Krise aus.

"Unser Eindruck ist, dass sich trotz Kita-Finder die Lage verschlechtert", sagte Fraktionschefin Katrin Habenschaden. Und in einer Stadt wie München könne ein fehlender Betreuungsplatz "sehr schnell existienziell werden". Das städtische Internet-Portal Kita-Finder soll eigentlich helfen, unkompliziert einen Betreuungsplatz zu bekommen. Seit den Pfingstferien häuften sich aber Beschwerden von Eltern, die mit der Art der Vergabe und der Kommunikation unzufrieden seien, sagte Habenschaden.

Zwei dieser Mütter hat sie zur Pressekonferenz mitgebracht, um konkret aufzuzeigen, was nicht funktioniert. Nadine Widmann zum Beispiel hat seit April versucht, für ihre beiden Söhne einen Hort und einen Kindergarten zu finden, der sie aufnimmt. Dafür hat sie den offiziellen Weg über den städtischen Kita-Finder genommen. Bis jetzt hat sie für einen Sohn eine Absage, vom Platz für den zweiten hat sie noch nichts gehört. Die Verzweiflung der Industriekauffrau war so groß, dass sie die beiden Kinder schließlich in einer privaten Einrichtung untergebracht hat, die von der Stadt nicht gefördert wird. Für insgesamt 1600 Euro pro Monat. "Alles, was ich verdiene, geht in die Betreuung der Kinder", sagte sie.

Ina Roth ist es bei der Suche ähnlich ergangen, dabei dachte sie anfangs, dass sie Glück gehabt hatte. Der Hort an der Sprengelschule ihrer Tochter hatte einen Platz angeboten. Doch im April hieß es bereits, es könne schwierig werden, das erforderliche Personal dafür zu gewinnen. Im Juni kam dann die Absage. Sie ging zur Elternberatung, schrieb an das Bildungsreferat und an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Mittlerweile ist sie froh über einen Platz in einer Mittagsbetreuung, deren Betreuungszeiten für zwei voll berufstätige Eltern allerdings nicht ausreichen. Für die fehlenden Stunden musste sie privat eine Betreuerin engagieren. Für das Bildungsreferat sei der Fall damit erledigt, OB Reiter habe letzte Woche geschrieben, das Problem sei bekannt, sie könne sich an die Elternberatung wenden, erzählte Roth.

Die Grünen wollen mit ihren Fallbeispielen allerdings nicht nur kritisieren, sondern legten auch mehrere Anträge vor, um die ausgemachte Kita-Krise anzugehen. Diese umfassen unter anderem eine transparentere Vergabe über den Kita-Finder, regelmäßige Information der Eltern über ihren Status, Verhinderung von Mehrfachanmeldungen eines Kindes oder regelmäßige Stichtage für Platzvergaben über das ganze Jahr hinweg.

Doch auch die Grünen wissen, dass der Kita-Finder zwar nervige Macken hat, das größere Problem dahinter aber ein anderes ist: der Mangel an Erziehungs- und Kinderpflegepersonal. Nicht fehlende Gebäude oder Kitas seien das Hemmnis, "es geht ums Personal", sagte Fraktionschefin Habenschaden. Die Grünen wollen deshalb die Zahl der Ausbildungsplätze an den städtischen Fachakademien so weit erhöhen, dass keine Bewerberin mehr abgelehnt werden muss.

Um die Fachkräfte dann auch im teuren München zu halten, stellte Stadtrat Sebastian Weisenburger Ideen vor. Zum einen könnte die Stadt an ihren Akademien auch in den reinen Schuljahren der Ausbildung Lohn bezahlen. Im Gegenzug müssten sich die Empfänger verpflichten, eine bestimmte Zahl an Jahren beider Stadt zu arbeiten. Als weiteren Anreiz schlagen die Grünen eine Wohnraumgarantie für Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen vor. Nach einem Jahr an einer städtischen Einrichtung sollen sie ein passendes Angebot einer kommunalen Wohnungsgesellschaft erhalten. Schließlich wollen die Grünen die Arbeitsmarktzulage von 200 Euro im Monat deutlich erhöhen, um die Fachkräfte dauerhaft in der Stadt zu halten.

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Quelle:
SZ vom 11.09.2019
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