Süddeutsche Zeitung

Verkehr:Polizei zeigt rund 1660 E-Scooter-Fahrer wegen Trunkenheit an

Lesezeit: 2 min

Von Julian Hans

Die Polizei war von Anfang an nicht begeistert, als der Gesetzgeber im Frühsommer freie Fahrt für ein weiteres Verkehrsmittel gegeben hat, das zudem noch ein Zwitterwesen ist: Man braucht keinen Führerschein, um durchzustarten, dennoch ist der E-Scooter nach der Straßenverkehrsordnung ein Kraftfahrzeug - mit allen Konsequenzen. E-Scooter müssen auf dem Radweg fahren und dürfen nur dort auf die Straße ausweichen, wo es keinen Radweg gibt. Allerdings: Wo Radfahren gegen die Einbahnstraße erlaubt ist, gilt das wiederum nicht für E-Scooter.

Diese Regeln waren wohl den wenigsten Nutzern klar, als Mitte Juni die ersten dieser Fahrzeuge auf den Bürgersteigen der Stadt verteilt wurden. Die kleinen Zettelchen mit einer freundlichen Ermahnung, die einige Anbieter an die Lenker hängen, wurden auch nicht von allen mit Aufmerksamkeit studiert und ernst genommen. Die Roller werden als Spielzeuge wahrgenommen, obwohl ihre Fahrer rechtlich so behandelt werden, als würden sie am Steuer eines Autos sitzen. Und da gilt zum Beispiel: Wer betrunken fährt, begeht eine Straftat. Allerdings hatten viele Bürger zunächst den umgekehrten Impuls: Wenn ich betrunken bin, nehme ich eben den E-Scooter.

Entsprechend war dann die Polizei gut damit beschäftigt, Unwissende aufzuklären und Betrunkene einzufangen. Und der Rettungsdienst musste mehrfach Fahrer ins Krankenhaus bringen, die im Suff gestürzt waren. Insgesamt zählte die Polizei bis Mitte November 62 Verkehrsunfälle mit Personenschaden. Davon waren 59 Scooterfahrer leicht verletzt und vier schwer. Bei 28 dieser Verkehrsunfälle war Alkohol im Spiel, in zwei Fällen waren die Fahrer im Drogenrausch unterwegs.

Den Touristen alleine kann man das Phänomen nicht in die Schuhe schieben

Seit der Einführung der E-Scooter im Juni hat die Polizei in München mehr als 1660 Scooter-Fahrer wegen Trunkenheit im Straßenverkehr angezeigt. Jeder Zweite hatte mehr als 1,1 Promille im Blut, war im Sinne des Gesetzes also absolut fahruntüchtig. Die Rollerfahrt hat diese Personen also statt der versprochenen 15 Cent Miete pro Minute mindestens 500 Euro gekostet. Darüber hinaus müssen sie für mindestens ein halbes Jahr den Führerschein abgeben und in Flensburg malt jemand drei Punkte in die Verkehrssünderkartei.

In 229 Fällen hatten die kontrollierten E-Scooter-Lenker sogar mehr als 1,6 Promille im Blut, sie bekommen ihre Fahrerlaubnis erst nach erfolgreichem Bestehen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung wieder, landläufig bekannt als "Idiotentest". Fast 100 Personen konnte die Polizei rechtzeitig stoppen, bevor sie in trunkenem Zustand zur Fahrt durch München starteten.

Den Touristen alleine kann man das Phänomen übrigens nicht in die Schuhe schieben: Von allen beanstandeten Fahrten kamen 1000 Nutzer aus München und 1001 von auswärts. Bedingt durch die kalte Witterung sei das Phänomen zwar in den vergangenen Wochen etwas zurückgegangen, sagt Polizeisprecher Werner Kraus. "Aber es sind immer noch zu viele, die in angetrunkenem Zustand fahren". Zum Beginn der Weihnachtsfeier-Saison appelliert die Polizei daher nochmals: Wer Alkohol getrunken hat, sollte ein Taxi nehmen oder den Bus. Und beim Aussteigen aufpassen, dass man nicht über einen abgestellten Roller stolpert.

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Quelle:
SZ vom 28.11.2019
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