Süddeutsche Zeitung

Hasenbergl:Alle müssen raus

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Die Wohnungs- und Siedlungsbau Bayern will an der Paulckestraße nicht nur 72 Appartements sanieren, sondern auch 48 größere Wohnungen

Von Jerzy Sobotta, Hasenbergl

Die geplante Sanierung eines neunstöckigen Wohnhauses an der Paulckestraße könnte deutlich mehr Mieter treffen, als bisher bekannt war. Das geht aus einem Gespräch des Mieterbeirats München mit den Eigentümern von der Wohnungs- und Siedlungsbau Bayern (WSB) hervor. Demnach müssten etwa 48 weitere Mietparteien womöglich ihre Wohnung verlassen, denn offenbar soll das gesamte Wohnhaus an der Paulckestraße 1-9 saniert werden. Für die vorgesehenen Arbeiten müssen die Wohnungen leer stehen.

Anfang September wurden bereits etwa 72 Mietparteien von der WSB zum Auszug aufgefordert, deren Appartements sich in den beiden Treppenhäusern mit den Nummern 3 und 7 befinden. Per Post wurde den Mietern angekündigt, dass ihr "Auszug aus der Wohnung unumgänglich" sei, da das 1961 gebaute Haus umfassend saniert werden müsse, was mindestens zwölf Monate dauere. Wasseranschlüsse und Heizungen würden abgestellt. Zudem befänden sich Schadstoffe unter den Fußböden, hieß es, allerdings ohne nähere Angaben zur Art der Schadstoffe.

Um die Wohnungen bis Ende März 2021 leer zu bekommen, hat die WSB den Mietern eine Prämie von bis zu 5000 Euro für den Auszug angeboten. Eine Summe, die von verschiedenen Mieterschützern als "Frechheit" bezeichnet wird. Eine rechtmäßige Kündigung stellt das WSB-Schreiben allerdings nicht dar. Dennoch sind die Mieter verunsichert und verängstigt. Einige sprechen kein Deutsch, sind auf Sozialhilfe angewiesen, älter oder schwerbehindert. Sie haben den Mieterbeirat der Landeshauptstadt München um Hilfe gebeten.

Dieser hat sich Ende Oktober mit den Eigentümern getroffen. Davon berichtet die Vorsitzende des Mieterbeirats, Gabriele Meissner (SPD), bei der jüngsten Sitzung des Bezirksausschusses Feldmoching-Hasenbergl. An dem Treffen habe Alfons Doblinger teilgenommen, Geschäftsführer der Doblinger Unternehmensgruppe, deren Tochterunternehmen die WSB ist, sowie der zuständige Abteilungsleiter.

Die Eigentümer haben Meissner zufolge angekündigt, in einem zweiten Sanierungsabschnitt auch die etwa 48 größeren Wohnungen in den Treppenaufgängen mit den Hausnummern 1, 5 und 9 zu erneuern. Der Termin dafür stehe noch nicht fest. Die betroffenen Mieter seien darüber bislang nicht informiert worden. Die Sanierung werde ebenfalls die Treppenhäuser, Außenfassaden und Außenanlagen umfassen. Meissner kritisiert das bisherige Vorgehen der WSB: "Wenn ein Eigentümer eine Sanierung macht, dann muss er den Mietern Wohnraum zur Verfügung stellen und ihnen danach die Möglichkeit geben, wieder einzuziehen", sagt sie.

Bei dem Treffen hätten die Eigentümer eine Mietminderung von zehn bis 15 Prozent in Aussicht gestellt, berichtet Meissner. Grund dafür ist eine Großbaustelle auf dem Grundstück, das sich unmittelbar vor dem Wohnhaus befindet. Dort baut die Doblinger-Unternehmensgruppe ein neues Wohnhaus mit 49 Wohnungen und einem Alten- und Servicezentrum. Das Unternehmen wollte sich auf Nachfrage der SZ nicht zu dem Thema äußern.

An der Paulckestraße wartet man derweil auf Informationen: "Wir haben nichts mehr von der WSB gehört", sagt ein Mieter aus dem Wohnhaus. Angeblichen Zusagen, was Ersatzwohnungen betrifft oder Unterstützung bei der Wohnungssuche und auch die Möglichkeit, nach Abschluss der Sanierung wieder einzuziehen, traut er nicht. "Das sind leere Parolen, um naive Mieter zu beruhigen", mutmaßt er. "Ich glaube nichts, bis ich es Schwarz auf Weiß habe." Einige Mieter seien bereits der Aufforderung nachgekommen und ausgezogen, erzählt er. Der Mieterbeirat hat weitere Unterstützung für die Mieter zugesagt und fordert vom Eigentümer eine zentrale Informationsveranstaltung für die Mieter.

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Quelle:
SZ vom 01.12.2020
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