Süddeutsche Zeitung

Diebstahl:Wenn Götter zu Opfern werden

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Im Nymphenburger Schlosspark sind Diana, Proserpina und Merkur ihrer wichtigsten Habseligkeiten beraubt worden. Wer tut so etwas? Eine mythologische Spurensuche.

Glosse von Stefan Simon

Die Münchner müssen verrückt sein. Die Götter zu bestehlen, beim Jupiter, das geht zu weit. Tatort waren, nicht zum ersten Mal, ihre Skulpturen im Nymphenburger Schlosspark. Denkmalschutz und Kripo ermitteln bislang vergebens. Entwendet wurden: der Stab des Hermes, der Bogen der Diana und das Zepter der Proserpina. Vom Diebesgut fehlt jede Spur, aber die Bayerische Schlösserverwaltung hat soeben mitgeteilt, dass Hermes, Diana und Proserpina der Schaden ersetzt worden sei. Mit Repliken aus dem 3-D-Drucker und Speziallack konnte der Zorn der Götter fürs Erste besänftigt werden.

Gut, Proserpina hat schon Schlimmeres erlebt. Immerhin wurde nur ihr Zepter geraubt und nicht sie selbst, so wie damals in der Antike, als Pluto sich Hals über Kopf in sie verliebte und sie gegen ihren Willen in sein Reich, die Unterwelt, verschleppte. Das war selbst für die damaligen Verhältnisse etwas rüde, und Proserpinas Mutter Ceres war darüber so verärgert, dass sie eine große Dürre übers Land brachte. Später lenkte sie zwar ein, aber seither gibt es Jahreszeiten. Proserpina indes blieb Herrscherin im Totenreich, und was Jagdgöttin Diana und Götterbote Hermes mit alledem zu tun haben, ist schnell erklärt: Beide sind mit dem Opfer verwandt, beide versuchten, die Entführte zu retten, doch beide scheiterten dabei.

Ist es am Ende vielleicht gar kein Zufall, dass ausgerechnet diesen Dreien in München immer wieder ihre Insignien entwendet werden? Doch wer ist der Täter, wer hat ein Interesse an Bogen, Stab und Zepter? Die Kunstfahnder tappen im Dunkeln, doch ein Blick in die Mythologie könnte Licht in den Fall bringen. Man erzählt sich, dass Proserpina beinahe die Flucht aus der Unterwelt geglückt wäre. Es war ein Verräter namens Ascalaphus, der das Happy End vereitelte. Die immer noch wütende Ceres verwandelte ihn daraufhin zur Strafe in einen Kauz.

Ein Kauz? Ist nicht einer der aktuell bekanntesten Bewohner des Nymphenburger Schlossparks auch ein Kauz? Er lebt seit vielen, vielen Jahren auf einer alten Linde an der Brücke bei der Badenburg. Alle nennen ihn zwar "Kasimir", und so ziemlich jeder in der Stadt hält ihn für einen Freund. Aber da sollte man schon nochmal genauer hinschauen. Vielleicht sind es ja gar nicht die Münchner, die verrückt geworden sind.

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