Süddeutsche Zeitung

Amtsgericht München:Neonazi muss für Aufruf zu Totschlag ins Gefängnis

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Der Richter sieht keine günstige Sozialprognose beim rechten Mehrfachtäter Statzberger. Der frühere Parteichef des "Dritten Wegs" kommt als Verantwortlicher für volksverhetzende Wahlplakate dagegen mit einer Geldstrafe davon.

Von Martin Bernstein

Wegen Volksverhetzung und Aufforderung zum Totschlag muss der Münchner Neonazi Karl-Heinz Statzberger sechs Monate ins Gefängnis. Ein Münchner Amtsrichter verurteilte den 42-Jährigen am Dienstag zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Für eine günstige Sozialprognose fehle ihm die Phantasie, sagte Richter Thomas Müller zu dem Angeklagten. Statzberger soll im September 2021 Plakate mit der Aufschrift "Hängt die Grünen" in München angebracht haben - vor dem ehemaligen Parteibüro der Münchner Grünen in der Sendlinger Straße und nahe der Synagoge auf dem Jakobsplatz.

Mehr als ein Dutzend Einträge weist das Zentralregister für den ehemaligen Rechtsterroristen und bayerischen Spitzenkandidaten der Neonazi-Gruppierung "Der Dritte Weg" inzwischen auf, zumeist einschlägige Vorstrafen wegen rechter Delikte. Statzberger hatte sich 2003 an Plänen für einen Sprengstoffanschlag der "Kameradschaft Süd" auf die Grundsteinlegung des Jüdischen Gemeindezentrums beteiligt und als verurteiltes Mitglied der rechtsterroristischen Vereinigung um Martin Wiese eine mehrjährige Gefängnisstrafe verbüßt, zu der er 2005 verurteilt worden war.

Jetzt wurden ihm Fotos zum Verhängnis, die der von ihm geleitete "Stützpunkt" München-Oberbayern von der nächtlichen Plakataktion selbst ins Netz gestellt hatte. Das Plakat habe "seine Wirkung nicht verfehlt", hatte Szene-Anwältin Nicole Schneiders noch in ihrem Plädoyer für den zweiten Angeklagten, den ehemaligen Vorsitzenden der Nazi-Gruppierung, Klaus Dieter Armstroff, erklärt. Die Wirkung war freilich anders als von den Angeklagten wohl erhofft: Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und letztlich auch der Richter identifizierten Statzberger eindeutig als einen der beiden am Plakataufhängen beteiligten Aktivisten.

Dem früheren Parteichef kommt sein leeres Strafregister zugute

Den 65 Jahre alten derzeitigen Vizechef des Dritten Wegs verurteilte das Amtsgericht zu einer Geldstrafe von 7000 Euro. Zu Armstroffs Gunsten sprach sein bislang noch leeres Strafregister. Der Weidenthaler war im Herbst 2021 Parteivorsitzender und wurde auf den Plakaten als presserechtlich Verantwortlicher genannt. Es sei "schlechterdings undenkbar", dass derartige Plakate einer Kleinstpartei in und um München, in Ostbayern und in Sachsen "ohne Wissen und Wollen" des Vorsitzenden aufgehängt würden, urteilte Richter Müller.

Die Plakate waren im Bundestagswahlkampf Anfang September 2021 an verschiedenen Stellen in der Münchner Innenstadt aufgetaucht, unter anderem auch nahe dem linken Szene-Cafe Marat, aber auch in Oberschleißheim, in Petershausen im Landkreis Dachau und im sächsischen Zwickau. Die bayerischen Sicherheitsbehörden und die Münchner Justiz reagierten prompt. Bereits am 9. September wies der Landespolizeipräsident die Polizeidienststellen im Freistaat an, die Plakate zu entfernen und sicherzustellen. Mitte September untersagte das Landgericht München I der rechtsextremen Gruppierung das Plakatieren der Hetze gegen die Grünen.

Die Plakate seien eine Aufforderung, Grünen-Politiker umzubringen, so die Münchner Staatsanwaltschaft. Mehrere Betroffene schilderten in der Verhandlung ihre Gefühle beim Anblick der Plakate. Von "Schock", "Wut" und "Erschrecken" war die Rede. "Ich hatte das Gefühl, dass man mich meint damit", erzählte ein Zeuge. Richter Müller hielt den Angeklagten vor, die Vorstellung, dass ein solcher Slogan nicht strafbar sein könnte, sei "abwegig". Zumal es "völlig unkontrollierbar" sei, ob Dritte die Aufforderung ernst nähmen und in die Tat umsetzten. 3544 Menschen aus Bayern hatten bei der Bundestagswahl für Statzberger gestimmt. Sein Anwalt kündigte nach dem Urteil an, in Berufung zu gehen.

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