Süddeutsche Zeitung

Verschwinden von Bankfilialen:Banditen von der traurigen Gestalt

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In der Stadt verschwinden wieder zwei Filialen eines Geldinstituts. Das hat Folgen für Kunden - und Bankräuber. Denn die müssen erst einmal eine Filiale finden.

Glosse von Thomas Balbierer

Den wohl unambitioniertesten und zugleich unterhaltsamsten Bankraub der Kulturgeschichte unternahmen Mitte der Achtziger die Musiker der Ersten Allgemeinen Verunsicherung. Mit "Ba-Ba-Banküberfall" pflanzte die Austro-Band ihren Hörern einen immerwährenden Ohrwurm ins Gehirn und setzte ganz nebenbei einer mittlerweile kränkelnden Institution ein Denkmal: der Bankfiliale. Das Lied handelt von einem armen Schlucker ("Der Kühlschrank ist leer, das Sparschwein auch/Ich habe seit Wochen kein Schnitzel mehr im Bauch"), der den Banküberfall als einzigen Weg aus seiner Misere sieht. Aber kläglich scheitert - an sich selbst (" Mit dem Finger im Mantel statt einer Puffn/Ich kann kein Blut sehen, darum muss ich bluffen") und an den Umständen in der Bank ( "Eine Oma dreht sich um und sagt ,Junger Mann! Stell'n Sie sich gefälligst hinten an!'"). Das Ende vom Lied: Statt mit fetter Beute abzuziehen, zahlt der Gauner von der traurigen Gestalt am Schalter auch noch seine letzten Groschen ein.

Das wäre im München der Gegenwart nicht passiert. Dazu hätte der Bandit erst einmal eine echte Bankfiliale finden müssen - doch die schließen derzeit unabhängig vom Unternehmen schneller, als er "Hände hoch!" rufen könnte. Wer zum Beispiel in Untersendling wohnt und Kunde der Münchner Bank ist, konnte lange Zeit bequem zur Filiale an der Lindwurmstraße spazieren, um Kontoauszüge zu holen oder Überweisungen zu tätigen. Doch nach der Rückkehr aus dem Sommerurlaub im vergangenen Jahr war sie plötzlich weg - so, als hätte sie nie existiert. Nur ein dunkler Schatten an der Fassade, an der früher das Schild der Bank hing, beweist, dass es sie wirklich gab. Unter innerem Protest wich man auf die nächstbeste Filiale an der Sonnenstraße aus. Doch, Schreck! Seit Kurzem ist auch sie geschlossen. Man fühlt sich überfallen.

Auf Anfrage schreibt die Bank von Mietverträgen, die nicht verlängert worden seien, verweist auf das nahe gelegene Stammhaus am Frauenplatz. Ob weitere Standorte zur Disposition stehen, beantwortet die Genossenschaftsbank nicht - und hebt stattdessen das Online-Banking hervor.

Das mag für die Kundschaft vielleicht eine Alternative sein, aber herrje: Denkt denn niemand an die Bankräuber? Wenn Geldgeschäfte bald nur noch digital erledigt werden, stirbt die Gattung der Tresorknacker irgendwann aus. Und wer möchte dann schon einen Song über Ha-Ha-Hackerangriffe hören?

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