Süddeutsche Zeitung

Prozess:"Break him, break him"

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Von Susi Wimmer

"Ich denke an die Opfer, jede Nacht. Ich bereue, dass ich die Tragödie durch die Einnahme von Tabletten nicht verhindert habe. Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit." Es ist ein ungewöhnliches Statement, das Romuald D. zum Auftakt des Prozesses vor der ersten Strafkammer am Landgericht München I abgibt.

Der 23 Jahre alte Mann ist angeklagt, am Ostermontag vor einem Jahr in einem Hostel einen Mann ermordet und einen zweiten lebensgefährlich verletzt zu haben - aus einer Nichtigkeit heraus. Er habe den Verstand aufgrund seines Verfolgungswahns verloren, sagt Romuald D. Dann spricht er von Dämonen, Reinkarnation und Halluzinationen. Ob die Schuldfähigkeit des Franzosen tatsächlich aufgehoben oder eingeschränkt war, soll ein psychiatrisches Gutachten klären.

Der ungewöhnliche Fall wird in ungewöhnlichen Zeiten zu ungewöhnlichen Bedingungen verhandelt. Die erste Kammer ist auf den größten Sitzungssaal im Haus ausgewichen, um Distanz zwischen allen Beteiligten herzustellen. Das Oval des Richtertisches wurde ausgeweitet, damit zwischen der Vorsitzenden Richterin Elisabeth Ehrl, ihren zwei Beisitzern sowie den beiden Schöffen genügend Abstand gewahrt wird. Verteidiger Roland Autenrieth, Staatsanwalt, Gutachter und Nebenkläger sind verteilt über den Raum. Der Angeklagte, ein schlanker Mann mit kahlrasiertem Kopf, trägt beim Hereinkommen Mundschutz. Er mustert die Zuschauergalerie und lauscht ungerührt den Worten von Staatsanwalt Laurent Lafleur.

Die Vorwürfe der Anklage lauten auf Mord und versuchten Mord. Im Mai 2019 lebte Romuald D. dauerhaft im A&O Hostel an der Arnulfstraße, mit ihm im Zimmer der 61 Jahre alte Joachim L. aus Hessen und der Anlagenbauer Daniel B., 31, aus Berlin. Mit letzterem geriet der 23-Jährige in Streit, zumal Daniel B. Sachen des Anklagten von seinem Bett zur Seite geräumt hatte. Laut Staatsanwaltschaft fuhr der Angeklagte daraufhin in ein angemietetes Lager, in dem er Sachen deponiert hatte, und holte ein Jagdmesser mit einer zehn Zentimeter langen Klinge. Als seine Mitbewohner gegen 21.30 Uhr zurück ins Zimmer kamen, wollte Romuald D. den Anlagenbauer wegen den Sachen zur Rede stellen, doch der weigerte sich. Daraufhin folgte er Daniel B. ins Bad, sprühte ihm Pfefferspray ins Gesicht und stach zu. Immer und immer wieder.

Der Angeklagte gibt an: In ihm lebe ein Dämon. Und Gott

Joachim L. wollte dem Opfer zu Hilfe kommen, auch er wurde attackiert. Die beiden Schwerverletzten flüchteten aus dem Zimmer, D. setzte Daniel B. nach, stach erneut auf ihn ein, bis letztendlich beide Opfer blutüberströmt in der Lobby des Hostels lagen. "Das habt ihr doch so gewollt, ihr habt das provoziert", soll er noch zu den Männern gesagt haben. Joachim L. erlag wenig später seinen Verletzungen, Daniel B. konnte gerettet werden.

Romuald D. wuchs in Kamerun auf, machte Abitur in Frankreich, wollte in Deutschland studieren und endete als Nachtportier in Hotels. Nach der Tat saß er in Untersuchungshaft, gab zehn Monate später an, Stimmen zu hören und wurde daraufhin in einer Psychiatrie untergebracht. In ihm lebe noch ein Dämon sowie Gott, beide würden zu ihm sprechen, Gott eher selten, sagt er. Außerdem werde er von einer weißen Frau mit roten Haaren beobachtet, höre Radiosignale, leide unter Verfolgungswahn und sei die Reinkarnation eines Propheten namens Daniel. "Break him, break him", habe die Stimme ihm am Tattag befohlen. Dann im Badezimmer habe "eine andere Person" die Kontrolle über ihn übernommen. Der Prozess wird nächsten Montag fortgesetzt.

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SZ vom 05.05.2020
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