Süddeutsche Zeitung

München:Mitsprache mit Abstand

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Die Moosacher gehen leer aus, aber alle anderen ausstehenden Bürgerversammlungen für dieses Jahr sollen nun doch noch stattfinden: in großen Räumen, mit Maske und Kontaktnachweis

Von Berthold Neff, München

Anfang September sah es noch ganz danach aus, als ob die Münchnerinnen und Münchner in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie keine Chance haben würden, in Bürgerversammlungen über die Belange ihres Stadtbezirks abzustimmen. Der Stadt schien das Risiko zu groß zu sein, weil die Zahl der Corona-Fälle nach der vorübergehenden Besserung im Sommer wieder stieg. Dann aber schritt die Regierung von Oberbayern als Aufsichtsbehörde ein, und die Stadt wurde zum Umdenken gezwungen. Die Bürgerversammlung für Moosach, die für kommenden Donnerstag, 8. Oktober, geplant war, ist zwar abgesagt, doch bis zum Jahresende sollen sich Bürgerinnen und Bürger in den Stadtbezirken nun doch insgesamt 13-mal in großer Runde treffen können, um Anfragen zu stellen und Anträge zu beschließen - und das an zum Teil ungewohnten Orten wie dem Circus Krone.

Michael Schlachter, der im städtischen Direktorium für die Belange der Bezirksausschüsse zuständig ist, begründet die Absage der Moosacher Bürgerversammlung damit, dass etwa zweieinhalb Wochen vor dem angepeilten Termin die Zahl der Infektionen in München rasant zunahm. Der sogenannte Sieben-Tage-Inzidenzwert, der die Zahl der innerhalb einer Woche neu gemeldeten Infektionen pro 100 000 Einwohner anzeigt, war Mitte September auf 47,6 gestiegen, hatte also den Frühwarn-Signalwert von 35 klar überstiegen. Das war auch der Grund, weshalb Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) kurzerhand entschied, dass der Bundesliga-Auftakt des FC Bayern München gegen Schalke am 18. September vor leeren Rängen stattfinden musste.

Etwa zu diesem Zeitpunkt hätte die Stadt den Vorlauf für die Moosacher Bürgerversammlung einleiten müssen, also die Einladungen drucken und an alle Haushalte im Viertel verschicken müssen. Dies schien bei einem Inzidenzwert, der dann sogar noch auf mehr als 50 anstieg, undenkbar.

Ganz entspannt hat sich die Lage jetzt zwar noch nicht, der Signalwert ist mit 36,5 (Stand am vergangenen Sonntag) aber nur noch knapp überschritten. Deshalb verschickte die Stadt nun die Einladungen für die ersten Bürgerversammlungen, die am Montag per Post bei den Bürgern eintrafen. Neu ist, dass ihnen nicht nur längere Wege bevorstehen - zum Beispiel aus Hadern in den Circus Krone an der Marsstraße 43 -, sie müssen auch während der gesamten Versammlung einen Mund-Nasen-Gesichtsschutz tragen, auch dann, wenn sie ihr Anliegen ins Mikrofon sprechen. Eine Teilnahme ist außerdem nur möglich, wenn ein ausgefüllter Kontaktnachweis (das DIN-A 4-Blatt liegt der Einladung bei) vorgelegt wird, mit Name, Vorname und Telefonnummer. Nicht zugelassen sind Personen, die in den zwei Wochen vor der Versammlung Kontakt zu Infizierten hatten oder bei sich Symptome feststellen (Husten, Hustenreiz, Schnupfen).

Die Regierung von Oberbayern begründet ihr Pochen auf das Abhalten von Bürgerversammlungen damit, dass diese "eine Ausprägung des Rechts der Gemeindebürger auf demokratische Teilhabe" darstellten, wie es Pressesprecher Wolfgang Rupp formuliert. "Im Gegensatz zu privaten Sport- oder kulturellen Veranstaltungen ist für Bürgerversammlungen in den Gemeinden gesetzlich vorgeschrieben, dass in jeder Gemeinde mindestens einmal jährlich (auf Verlangen des Gemeinderats auch öfter) eine Bürgerversammlung einzuberufen ist." Dafür seien von den Städten und Gemeinden Schutz- und Hygienekonzepte zu erarbeiten.

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Quelle:
SZ vom 06.10.2020
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