Süddeutsche Zeitung

Reform des Migrationsbeirats:Nicht gewählt und trotzdem drin

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Weil sich zuletzt kaum Münchnerinnen und Münchner ohne deutschen Pass an der Abstimmung beteiligten, greift erstmals eine Reform - die das Gremium für "Bevormundung" hält.

Von Andrea Schlaier

Auf Nummer 17 stehen die von "Irgendwo geboren in München zu Hause", auf der Fünf "Aktiv für die rumänische Community" und die 23 besetzt der "Trägerverein Kroatisches Haus": 24 Listen sind für die Wahl zum Migrationsbeirat am 19. März beim städtischen Wahlamt eingegangen. Das Gremium vertritt die Interessen eines Viertels der Münchner Bevölkerung aus 180 Nationen. Diesen Freitag entscheidet der Wahlausschuss im Kreisverwaltungsreferat, welche Listen und Kandidaten zugelassen werden.

Bei der vergangenen Wahl zum Migrationsbeirat 2017 blieben von 30 eingereichten Listenvorschlägen 24 übrig. Der Urnengang läutete eine Wende ein: Die ohnehin chronisch niedrige Beteiligung der Münchnerinnen und Münchner ohne deutschen Pass an der Wahl sackte auf 4,1 Prozent ab. Zudem war die Befürchtung im Gremium wie der Rathauspolitik groß, der Beirat könnte von Anhängern des türkischen Ministerpräsidenten Erdoğan dominiert werden - die liberalen Kräfte setzten sich jedoch letztlich durch und verhinderten dies.

Eine Reform der Interessenvertretung sollte ein Abrutschen in die Bedeutungslosigkeit und eine Übernahme durch rechte Kräfte verhindern. Da waren sich Beirat und Parteien einig. Die Umgestaltungspläne, die die Grünen im Frühsommer dann allerdings gegen den Willen des Koalitionspartners SPD und stattdessen mit der CSU im Stadtrat vorlegten, lösten heftige Debatten aus. Von einem "Affront gegen die Münchner Migrationsgesellschaft" war die Rede, weil dem Beirat künftig Mitglieder von außen zugeordnet werden sollen.

40 gewählte und zehn entsandte Mitglieder

Entschieden ist nun gegen den Willen des Beirats, dass den 40 Gewählten zehn Mitglieder mit Stimmrecht und 22 beratende zur Seite gestellt werden. "Wir müssen unsere Erfahrung machen, wie das für unser ehrenamtliches Gremium überhaupt stemmbar ist", sagt Dimitrina Lang, amtierende Vorsitzende des Beirats. Für eine "Bevormundung" hält sie die Neuerung nach wie vor.

Als Erfolg wertet die gebürtige Bulgarin, die wieder als Spitzenkandidatin der Liberalen Liste antritt, dass die Wahl von 2026 an gemeinsam mit der Kommunalwahl abgehalten wird und damit mehr Relevanz erhalte. Mehr Wahrnehmbarkeit führe zu höherer Wahlbeteiligung. Deshalb feile man derzeit unter anderem am Auftritt in den sozialen Medien. Paradoxerweise habe der öffentliche Reformstreit die Gruppe sichtbarer gemacht, sagt Lang. 50 bis 60 Kandidaten informierten sich in ihrer Sprechstunde über Wahlformalitäten. "Viel mehr als früher."

Auf die Sorge, dass türkisch-nationalistische Gruppen das Ruder übernehmen könnten, habe man zu Beginn der laufenden Amtsperiode mit einer Resolution reagiert, "in der wir uns zu den demokratischen Werten bekannt haben". Seit 2017 habe es keinen "kritischen Antrag" gegeben. "Wenn das von außen so kritisch gesehen wird, sollen die Behörden die Listen vor der Wahl ausschließen." Für die Zulassung von Wahlvorschlägen des Migrationsbeirats, sagt ein Sprecher des Kreisverwaltungsreferats, gelten die gleichen Voraussetzungen wie zur Kommunalwahl.

Langs Wunsch: "Wir würden uns gern weniger mit internen Problemen beschäftigen, sondern Politik für Migranten machen."

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