Süddeutsche Zeitung

Maxvorstadt:Überquellendes Ärgernis

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Mit dem Coronavirus ist auch eine Abfallwelle durch die Stadt geschwappt. Lokalpolitiker und Bewohner suchen nun nach kreativen Lösungen, wie man Straßen, Plätze und Parks wieder sauber bekommt.

Von Lea Kramer, Maxvorstadt

Mit dem ersten Lockdown haben viele Münchner die Liebe zu Selbstgemachtem entdeckt. Doch, wer will schon jeden Tag Bananenbrot essen? Den mit Wegwerf-Essenverpackungen überquellenden Abfalleimern zu urteilen nach: wenige. Große und kleine Müllprobleme sind in allen Münchner Bezirken regelmäßig Stoff für Diskussionen. Lokalpolitiker und Bewohner suchen gleichermaßen nach kreativen Lösungsansätzen, damit der Unmut über den Unrat nicht überhandnimmt.

Seit Studierende an der Ludwigs-Maximilians-Universität (LMU) aufgrund der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung zur Eindämmung der Corona-Pandemie nicht mehr an Ort und Stelle unterrichtet werden, ist die Schellingstraße auffallend leer. Viel weniger junge Menschen als sonst schlendern oder fahren dort mit dem Radl entlang. Diese Entschleunigung hätten sich die Anwohner der angrenzenden Querstraße ebenfalls gewünscht. Seit einiger Zeit klagen die Bewohner der Türkenstraße über zu viel Lärm. Der hat währender der Pandemie sogar zugenommen. Neuer Feiertreff: der Georg-Elser-Platz.

Das Plätzchen zwischen dem ehemaligen Türkenkino und der Türkenschule ist mittlerweile so beliebt, dass die Polizei schon mal vorbeikommen muss. Ende März trafen die Beamten dort gut 250 Personen an, die feierten und sich nur bedingt an die Abstandsregeln hielten. Der Platz wurde daraufhin geräumt. Die neue Beliebtheit des Platzes drückt sich auch in den Hinterlassenschaften seiner Besucher aus. Der Abfall rund um die Grundschule an der Türkenstraße hat massiv zugenommen. Damit die Grundschulkinder morgens nicht mehr zwischen Verpackungsmüll, zerbrochenen Flaschen und Essensresten auf den Einlass in ihr Schulgebäude warten müssen, startet der Abfallwirtschaftsbetrieb (AWM) der Stadt seine Tour nun früher. "Wir müssen schauen, wie es nach Corona am Georg-Elser-Platz weitergeht", sagt Svenja Jarchow-Pongratz (Grüne), Vorsitzende des Bezirksausschuss (BA) Maxvorstadt. Eine Hochstufung der Reinigungsklasse der Straße sehe sie als nicht zielführend an, da das mehr Kosten für die Anwohner zur Folge hätte.

Im Bezirksausschuss schlagen seit Beginn der Pandemie vermehrt Beschwerden zu vermüllten Parks und Plätzen auf. Am Josephsplatz soll nun ein neues Konzept erprobt werden, um die unterschiedlichen Bedürfnisse der Maxvorstädter in Einklang zu bringen. Der Platz vor der Pfarrkirche Sankt Joseph wird von seinen Anwohnern heiß geliebt und deshalb zuweilen mit unkonventionellen Methoden geschützt. So kam es, dass in der Vergangenheit schon mal Blumenkübel als Barriere gegen Skater am Franziskusbrunnen herhalten mussten. Seit der Pandemie hat der Druck auf die Fläche weiter zugenommen. Die Befürchtung, dass der Josephsplatz zum neuen Gärtnerplatz wird, hat sich aber nicht bestätigt. "Wir haben festgestellt, dass hauptsächlich Anwohner den Platz nutzen und dort keine Besucher aus anderen Vierteln hinkommen", sagt BA-Vorsitzende Jarchow-Pongratz.

Um die Auseinandersetzung zwischen Anwohnern und Skatern beizulegen, hatten Lokalpolitiker die professionellen Schlichter von Akim, der städtischen Stelle "Allparteiliches Konfliktmanagement", hinzugezogen. Diese sind auch in diesem Jahr ein Mal pro Woche abends an dem Platz unterwegs. Den Konflikt zwischen Skatern und Anwohnern sehen sie aber als "bearbeitet" an, wie es das Sozialreferat formuliert, dem Akim zugeordnet ist. Bearbeitet wurden vor allem die teils sehr jungen Skater und deren Eltern. Die für die Blumenkübel-Aktion verantwortliche Anwohnergruppe "Freunde des Franziskusbrunnen" ist während der gesamten Schlichtung anonym geblieben. Es hätten sich aber andere Anwohner bei Akim gemeldet, "so dass wir davon ausgehen, die Menschen, die sich sehr gestört fühlten, auch erreicht zu haben", sagt eine Sprecherin des Sozialreferats. Nach wie vor ist das Skaten am Josephsplatz erlaubt, ebenso wie das Verweilen.

Letzteres zieht sich seit dem vergangenen Jahr öfter mal bis in die Nacht hinein hin. Damit Frühaufsteher nicht über den Dreck der Nacht stolpern, könnte ein neues Projekt helfen. Unterstützt vom Verein Green City soll am Josephsplatz eine Besenstation mitsamt quadratischen Mülleimern für Pizzaschachteln entstehen. "Die Reinigungsstation oder Besenstation soll die Möglichkeit bieten, dass kleine Missgeschicke - zum Beispiel versehentlich zerbrochene Glasflaschen - von den Verursacherinnen schnell und unkompliziert entfernt werden können", sagt eine Sprecherin von Green-City. Viel mehr soll über das Projekt, das noch in den "allerkleinsten Kinderschuhen" stecke, aber nicht verraten werden.

Mit ähnlichen provisorischen Terrassen im öffentlichen Raum, den sogenannten Parklets, hat Green City zum Beispiel im Westend Erfahrungen gesammelt. In der Maxvorstadt ist das Konzept neu. "Die Anwohner bemühen sich um ihren Platz, und vielleicht können wir sie so animieren, ihn gemeinsam sauber zu halten", sagt die BA-Vorsitzende Svenja Jarchow-Pongratz.

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SZ vom 31.05.2021
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