Süddeutsche Zeitung

Eröffnung der Isarphilharmonie:Auf Klangwolke 7

Lesezeit: 5 min

Die Isarphilharmonie begeistert ihre ersten Gäste. Die Münchner Gesellschaft kommt gar nicht aus dem Schwärmen heraus über Akustik und Architektur am Eröffnungsabend. Aber wer sind die, die trotzdem einen Schuss Wasser in den Wein gießen?

Von Susanne Hermanski, Egbert Tholl und Evelyn Vogel

Die Tore auf, und hell ist die Begeisterung! Als am Freitagabend die Isarphilharmonie im Ausweichquartier "HP8" des Gasteigs festlich bezogen wird, schwärmen sie alle und es ist, als hörten wir eine Zugabe des Philharmonischen Chors, der gerade noch den Saal mit seinen Stimmen so wunderbar erfüllte. "Beneidenswert, toll!", sagt etwa Wolfgang Heckl, der Direktor des Deutschen Museums. Oder Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München: "Ich bin nicht nur begeistert, ich bin überrascht" Und die Filmproduzentin Susanne Porsche meint: "Das hier ist doch wirklich ein bisschen New York!"

Der erste Eindruck. Beim Eintreten in die Halle E, jene zum Foyer mit Bibliothek umfunktionierten alten Backsteinhalle der Stadtwerke, strahlen die Menschen. Oder um es angelehnt an das gute alte Thomas-Mann-Zitat auszudrücken, das vis-a-vis an die Wand des Heizkraftwerks projiziert ist: der Münchner leuchtete. Vor Glück versteht sich.

Die 21 Meter hohe Halle E erfüllt, was ihre Vorschusslorbeeren der vergangenen Wochen versprachen. Sie bietet einen wunderbar hellen, offenen Empfang mit viel Luft über den Köpfen, lässig erhaltenen industriellen Charme und schier endlose Meter von Galerien, um auf diese hinunterzublicken. Und: eine Fotowand. Dort findet sich ein, was Rang und Namen hat. Für fast alle zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie wieder ohne Maske. Dass die Vorschriften für Veranstaltungen mit 3G-Kontrollen in den jüngsten Tagen noch einmal gelockert werden konnten, ist vielleicht das größte Zusatzgeschenk an diesem fröhlichen Abend.

Allen voran natürlich und mit stolzgeschwellter Brust zieht Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) durch das Getümmel. In seiner Rede vor dem Konzert wird er gleich versprechen, was hier alle schon als Gewissheit verinnerlicht haben: "Dieses Provisorium wird relativ lange Bestand haben". Noch etwas talentierter im Ausdrücken ihrer Euphorie ist seine Zweite Bürgermeisterin und Chefin das Gasteig-Aufsichtsrats Katrin Habenschaden (Grüne). Sie wird am Ende, nachdem Valery Gergiev, die Philharmoniker, Chorsänger und Daniil Trifonow ganze Arbeit geleistet haben, sagen: "Jetzt fehlt mir nur noch, hier in dieser Halle, eine Nacht durchzutanzen, dann ist mein Glück am hoffentlichen Ende dieser Pandemie perfekt" Und Diana Iljine, die Leiterin des Münchner Filmfests, verkündet gleich mal spontan: "Hier werden wir unser nächstes Opening feiern, das ist vollkommen klar!"

Nach dem zweieinhalbstündigen Konzert strahlen alle erst recht. "Toyotas Akustik - einfach sensationell", urteilt Susanne Porsche. "So einen Saal haben wir doch immer gebraucht. Und wenn er später für Musicals oder ähnliches genutzt wird. Also ich finde, das ist genial hier. Die Atmosphäre ist fast wie auf einem Dampfer, nur dass wir nicht gleich untergehen." Der Unternehmer Gerhard Wöhrl spezifiziert: "Ich finde das Geniale an diesem Bau ist, dass diese zwei Gebäude völlig unterschiedlich sind. Diese alte Industriehalle und der gehängte Konzertsaal, der praktisch freischwebend in seiner Schale ist!" Der Architekt des Ganzen, Stephan Schütz, vom Büro Gerkan, Marg und Partner tänzelt unterdessen schweigend, doch weitgehend unerkannt durch die Menge. Dass er auch am Ende des Konzerts nicht auf die Bühne geholt wird, erscheint ihm einerlei, er schwebt gerade so gut.

"Das hier ist schon was ganz Besonderes!"

Übertroffen wird er darin nur noch von Max Wagner, dem an diesem Abend besonders tänzerisch wirkenden Gasteig-Chef. Dass er diese Eröffnung letztlich nur als Etappensieg in seiner größeren Mission sehen kann, macht er nonchalant in seiner Rede klar: "Wir haben heute einen Meilenstein auf dem Weg der Gasteigsanierung geschafft", ruft er. Und erinnert damit an den Koloss in der Rosenheimer Straße, an dem nun eigentlich schon die Bautrupps loslegen könnten. Wenn, ja wenn mehr Geld in der Stadtkasse, ein Investor schon gefunden wäre und so weiter und so weiter.

Doch zurück zur Feierlaune: "Was die Kosten und die Bauzeit angeht, kann ich nur sagen: So kann man es auch machen, schnell und preisgünstig", gesteht Wolfgang Heckl neidlos zu, dessen Sanierung des Deutschen Museums seit Jahren läuft und bislang weniger Jubelchöre auf sich vereinen konnte. "Natürlich ist das etwas anders als bei uns, eine Generalsanierung eines 100-jährigen Baus mit 75.000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche ist schon noch ein bisschen schwieriger."

Sein Kollege Michael Buhrs, der Direktor des Museum Villa Stuck spricht vielen Klassikfans an diesem Abend aus dem Herzen: "Bei dieser kleinen Zwischenzugabe von Trifonow jetzt eben vor der Pause, musste ich fast weinen. Das hier ist schon was ganz Besonderes, dieses Ambiente und die Architektur. Der Klang ist unglaublich! Mit diesem schwarzen Holz, das hat was sehr Zen-mäßiges."

Ralf Wintergerst, CEO des Münchner Konzerns für Sicherheitssysteme und Gelddruck Giesecke & Devrient lacht: "Hier in der Halle E hätten wir auch sehr gut unser Büro einrichten können. So eine alte Trafohalle ist ja auch eine tolle symbolträchtige Nahtstelle zwischen Kultur und Wirtschaft", erklärt er. "Was die Stadt München da hervorgebracht hat, dass solche Möglichkeiten genutzt werden!", jubelt Charlotte Knobloch. "Ich glaube, wenn wir den Weg weiterverfolgen in der Kultur, in der Musik, die allen Menschen Freude macht, wird wieder eine schöne Zeit entstehen nach dieser Pandemie. Das ist ein Eröffnungskonzert, das man nicht so schnell vergessen kann."

Franz Herzog von Bayern, Musikkenner und Mäzen an sehr vielen Stellen in Münchens wunderbarem Kulturgetriebe, erklärt gewohnt kundig: "Der erste Eindruck ist: Diese Eingangshalle, voll mit Menschen, ist noch schöner und beeindruckender als sie es schon während des Baus war. Wir sitzen in der ersten Reihe und damit nah am Orchester, da kann man die Akustik nicht wirklich beurteilen. Aber was mir aufgefallen ist: Trotzdem höre ich das ganze Orchester, nicht nur die Instrumente vor mir. Das ist schon ein großartiges Zeichen. Und man fühlt sich wohl in diesem Saal, denn mit den vielen Leuten bekommt dieser schwarze Raum eine Wärme, die für die Musik sehr vorteilhaft ist."

"Die Akustik ist wirklich enorm"

Wolfgang Heubisch, ehemaliger bayerischer Kunstminister (FDP) und seinerzeit Stadtrat als noch unter schwarz-roter Stadtratskoalition mit Kulturbürgermeister Seppi Schmid die Weichen gestellt worden sind für das Projekt: "Da ist ein unglaubliches Volumen und trotzdem hört man jeden einzelnen Ton. Gratulation an die Landeshauptstadt, das hat sie toll gemacht. Da kriegt man richtig Lust auf mehr!" Hans-Georg Küppers, ehemaliger Kulturreferent Münchens, ist für diesen Abend zurückgekehrt und sagt, Seite an Seite mit Anton Biebl, seinem Nachfolger: "Das haben wir wunderbar auf die Schiene gesetzt. Und jetzt ist der Zug im Bahnhof."

Auch das Profipublikum ist zahlreich vertreten an diesem Abend. Ein ehemaliges Philharmoniker-Mitglied, inzwischen im Ruhestand, sagt: "Die Akustik ist wirklich enorm. Jetzt hört man Gergiev noch viel deutlicher." Denn Gergiev gehört zu jenen Dirigenten, die während ihrer Arbeit Töne absondern, mitächzen, summen, singen. Auch die Chefs von der Elbphilharmonie oder dem Amsterdamer Concertgebouw sind gekommen. Markus Hinterhäuser, der Intendant der Salzburger Festspiele betont in der Pause der Live-Übertragung des Konzerts durch den BR: "Die Strahlkraft dieser Eröffnung kann man gar nicht hoch genug einschätzen." Für München und für die Kulturszene insgesamt.

Stephan Gehmacher, ehemaliger Manager des BR-Symphonieorchesters und seit 2013 Generaldirektor der Philharmonie Luxemburg stimmt mit ein: "Schon allein das Eingangsfoyer lädt zu Kreativität ein." Doch steht gerade Gehmacher auch für jene Fraktion des Abends, die nicht nur die Isarphilharmonie lobpreisen mag: Er ist einer der tapferen Streiter für das große Konzerthausprojekt des Freistaats im Werksviertel. Gehmacher sagt es so: "Das hier ist ein Superprojekt, aber das Konzerthaus im Werksviertel berührt es gar nicht." Das soll bekanntlich dereinst dem Symphnieorchester des Bayerischen Rundfunks eine repräsentative Heimstadt geben und zudem ein hochmoderndes, mit High-Tech ausgestattetes Zentrum für die Musik-Education werden.

Im Wortlaut fast gleich drückt es Kurt Faltlhauser (CSU) aus, Bayerns ehemaliger Finanz- und ewiger heimlicher Kunstminister. Und er ergänzt: "Es braucht für jedes unserer beiden Spitzenorchester am Ende ein eigenes Haus. Auch wenn man der Stadt hier gratulieren muss, dass sie einmal schnell und effizient gearbeitet hat: Im Werksviertel wird ein Juwel entstehen." Kampfansage verstanden. Wie dazu nun aktuell der Ministerpräsident Markus Söder steht, kann man leider auf die Schnelle nicht erfragen. Denn erschienen ist er an diesem Abend freilich nicht zu diesem, nun ja, nennen wir es mal, hübschen kleinen Zwischen-Triumph seiner Antipoden in Rot-Grün.

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Quelle:
SZ vom 11.10.2021
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