Süddeutsche Zeitung

Demo für mehr Lärm und niedrigere Mieten:"Das gleicht dann einer Vertreibung"

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Bei der Krachparade am Samstag kritisiert Mitorganisator Tilman Schaich die Auswirkungen von Luxussanierungen auf Kultur und städtisches Leben.

Von Stephan Handel

Ungefähr bei der Hypo-Kunsthalle ist das erste Wummern zu vernehmen - leise und entfernt noch, aber schon deutlich voller Power. Spätestens an der Theatinerkirche geht der Bass dann voll in die Magengrube, zum Vergnügen der, naja, Demonstranten? Partygäste? Ein bisschen was von beiden jedenfalls, denn es soll ja auch beides sein hier: Party und Demonstration.

"Wer nicht tanzt, verliert" oder "Lärm statt Luxus" steht auf den Transparenten, die die Teilnehmer der sogenannten Krachparade am Samstagnachmittag am Münchner Odeonsplatz in die Höhe recken. Es ist erst der Anfang der Großdemo, zu der die Initiativen "Mehr Lärm für München" und "Ausspekuliert" gemeinsam mit zahlreichen weiteren Organisationen und Kollektiven aufgerufen haben.

Die Veranstalter rechnen mit mehr als 10 000 Teilnehmern, kurz nach Beginn der mehrstündigen Veranstaltung um 15 Uhr sind es allerdings noch deutlich weniger, vielleicht an die 2000. Doch das sei normal, sagt Tilman Schaich, einer der Demo-Organisatoren und Mitbegründer von "Ausspekuliert", der SZ. Er rechne damit, dass spätestens auf der Theresienwiese, dem Endpunkt des Demonstrationszuges, die erwartete Zahl zusammenkäme.

Die Mischung ist jetzt schon bunt - Punks mit bunten Irokesen-Haarschnitten, Goths ganz in Schwarz, Menschen jedes Alters ohne besondere äußere Merkmale, alle vereint in der Liebe zur Musik, aber nur, wenn sie laut ist. Sie wollen aber auch, dass für diese Form der Kultur Platz in der Stadt ist - dass Raves öffentlich und legal unter freiem Himmel veranstaltet werden können, nicht illegal und heimlich, bis die Polizei kommt.

Mit der sogenannten Krachparade wollen die Veranstalter sich zum einen dafür einsetzen, dass kulturelle Freiräume für junge Menschen in der Stadt erhalten und geschaffen werden - und nicht immer mehr den Interessen ruhebedürftiger Neumieter in den Innenstadtbezirken zum Opfer fallen. Zum anderen demonstrieren sie für mehr bezahlbaren Wohnraum.

Seit Jahren würden in der Politik immer alle über bezahlbaren Wohnraum sprechen, sagt Tilman Schaich. Doch vor allem CSU und FDP bremsten in Bayern, wenn es darum gehe, tatsächlich etwas für bezahlbare Mieten zu tun. Stattdessen werde an vielen Orten luxussaniert, mit negativen Folgen für das Umfeld. Gerade viele Kulturschaffende seien wegen steigender Mieten gezwungen wegzuziehen. Und der Lärm, das städtische Leben, gehe verloren, da die wohlhabenderen Mieter ein ruhiges Umfeld wünschten. "Das gleicht dann einer Vertreibung", sagt Schaich.

Neben ihm sprechen auf der Kundgebung unter anderem Ex-Harry-Klein-Betreiber und Stadtrat David Süß (Grüne), Münchens Nachtbürgermeister Kay Mayer und die Linken-Bundestagsabgeordnete Nicole Gohlke. Kurz nach 17 Uhr setzt sich der Zug dann in Bewegung - 16 Soundwägen beschallen zunächst die Residenz-, dann die Maximilianstraße in einer Lautstärke, dass den Freiluft-Gästen im Spatenhaus der Spargel von der Gabel fällt. Etwa drei Stunden lang über die Maximilianstraße, das Isartor, den Gärtnerplatz und das Sendlinger Tor bis zur Theresienwiese, wo bis 22 Uhr weiter demonstriert und getanzt wird. Mehr als 30 Bands und Kollektive unterstützen den Protest.

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