Süddeutsche Zeitung

"Das perfekte Geheimnis":Der Saal brüllt wieder

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Bei der Premiere des neuen Gagfeuerwerks "Das perfekte Geheimnis" von Regisseur Bora Dagtekin zeigt sich: Man will lieber nicht alles wissen, noch nicht mal von Hauptdarstellern wie Jessica Schwarz oder Elyas M'Barek.

Von Philipp Crone

Mit Geheimnissen hat eine Kinopremiere ungefähr so viel gemein wie Elyas M'Barek mit einem unbekannten Münchner Einwohner. Grelles Licht, Tausende Fragen und Antworten - eine Premiere ist gelungen, wenn anschließend alles ausgeleuchtet ist und jede Frage beantwortet, zu den Beteiligten und zum Film. Wenn das Klatschmagazin über die Schwächen der Hauptdarsteller erzählen kann, die Fachpublikation über die eigens gebaute Kulisse und die Boulevardzeitung über den Ansturm auf die Kinosäle. So ist das auch am Montagabend im Mathäser, bei der Premiere von "Das perfekte Geheimnis", dem neuen Film von "Fack ju Göhte"-Regisseur Bora Dagtekin, mit M'Barek in einer Hauptrolle. Unklar ist an dem Abend lediglich, wie die Zuschauer am Ende reagieren werden. Wobei auch der Abend zeigt, was im Film deutlich wird: Es ist einfach besser, nicht alles zu wissen.

Der Andrang ist wie bei jeder M'Barek-Premiere derart riesig, dass sogar die Polizei patrouilliert. 2200 Gäste kommen, die auf diverse Säle verteilt werden müssen, wobei dann alles friedlich bleibt, sieht man von den Brüll-Salven der Fotografen ab. Bevor die Darsteller um Wotan Wilke Möhring an die Mikrofone dürfen, um die Geschichte und den Film zu loben, stöckeln ein paar Damen über den Teppich, bei denen es wirklich ein Geheimnis gibt, denn nicht einmal der erfahrenste Klatschfotograf kennt ihre Namen.

So ist das bei Premieren, da gibt es viel medialen Beifang, der zum Teil offensichtlich von einem High-Heel-Contest übergeschwappt ist. Gerade eine Dagtekin-Filmpremiere will niemand verpassen, denn man muss doch dabei sein, wenn wieder einmal der Film des Jahres Premiere hat. So nennt ihn zumindest Martin Moszkowicz, was nicht so sehr verwundert, denn er ist Chef der Constantin, die den Film produziert hat. Verwunderlich ist eher, dass sogar Moszkowicz nervös ist. Bei einem Stoff, der von einem Blockbuster adaptiert ist, verhältnismäßig wenig gekostet hat und mit sieben der bekanntesten Schauspieler des Landes von Dagtekin verfilmt wurde? Wie da Nervosität aufkommen kann, darf ein Geheimnis bleiben. Moszkowicz steht im eleganten Anzug am Rand des roten Teppichs, als ein Schrei ertönt. Es ist Dagtekin, der mit seinen Darstellern den Teppich betritt. "Da kommen die Gladiatoren", sagt Moszkowicz. Die verstehen ihr Handwerk in der grellen Glamour-Arena. Und das besteht nicht nur aus Grinsen und glatten Antworten.

Bei M'Barek, der für aktuelle Dreharbeiten einen Schnurrbart trägt, geht eine Moderatorin sofort aufs Ganze: Was mit seinem Waschbrettbauch wäre, der diesmal gar nicht zu sehen ist. "Gibt es nicht mehr!" Wollten vielleicht die schmachtenden Teenie-Fans gar nicht wissen. Anschließend gibt der Schauspieler gerne noch Auskunft darüber, dass er sein Smartphone mehr oder weniger gar nicht zur Seite legt. Manches kann man aber nur mit Humor nehmen, etwa die Frage nach seinem Klingelton, die er mit einem schiefgelegten Kopf stumm beantwortet. M'Barek schaltet auf dem Teppich zwischen ernst und albern in einer Frequenz hin und her, dass nicht einmal Dagtekins Pointen-Stakkato im Film mithalten kann. Man dürfe Geheimnisse nicht mit Unehrlichkeit verwechseln, sagt der 37-Jährige. Und, ganz ernst: "Man sollte dieses Spiel nicht spielen."

Dieses Spiel geht so: Sieben Freunde einigen sich bei einem gemeinsamen Abendessen darauf, alle eingehenden Nachrichten und Anrufe für alle les- und hörbar abzurufen. Das endet selbstverständlich in Chaos und Zerstörung. "Da kann sich ja jeder selbst mal überlegen", sagt M'Barek, "was passieren würde, wenn er das Spiel in seinem Freundeskreis spielen würde." Dann ist er auch schon wieder albern und blödelt mit Dagtekin über "Dick-Pics", deren deutsche Übersetzung an dieser Stelle ein Geheimnis bleiben darf. Hauptdarstellerinnen Jella Haase und Jessica Schwarz arbeiten sich auch langsam an den Mikrofonen auf dem roten Teppich entlang, Schwarz mit ihrem so typischen Blick, wie ihn auch ihre Rolle der Therapeutin im Film hat - immer so, dass man sich fragt, ob man Anlass zu Tadel gibt.

Lena Schömann, die Produzentin des Films, sagt: "Bora kann einfach wunderbar beobachten, das verbindet er mit super Gags und seiner politischen Inkorrektheit." Stimmt. Nicht nur die Enthüllungen auf der Leinwand machen den Film spannend, auch die Frage, welcher Spruch als nächstes abgefeuert wird über den Esstisch und ganz knapp den unteren Rand der Gürtellinie streift. Wo dieser Rand sitzt? "Wenn man sich fremdschämt, ging es zu weit", sagt Schömann.

Keiner schämt sich fremd im Hauptkinosaal, es gibt richtiggehende Saalbrüller. Sex, Emanzipation, Beziehungen, alles wird in stroboskopartigen Wortwechseln durchdiskutiert. Es ist zu spüren, dass die frühere "Fack ju"-Crew mit Haase, Dagtekin, M'Barek und Karoline Herfurth ziemlich eingespielt ist. Florian David Fitz gibt auf dem Teppich wie zunächst im Film den bemüht Seriösen. "Geheimnisse sollte man haben, damit eine Beziehung sexy bleibt", sagt er vorher, um dann auf der Leinwand im Verlauf des Spieleabends zu eskalieren, bis es ihm reicht nach einem absurden Dialog über Brustvergrößerungen, genug "vom Titten-Talk".

Nach eineinhalb Stunden voller Wendungen, Witz und Windungen rauscht ein erleichtert euphorischer Applaus durch den Saal, ehe sich die Gäste etwas benommen auf den Heimweg machen, oder auf den Weg zur Premierenparty im neuen Asiaten Anoki in der Alten Post. Dort sitzt Regisseur David Dietl, schaut auf den dunklen Max-Joseph-Platz und sagt, er habe "schallend gelacht". Vor allem "war Wotan eine Granate". Wilke Möring als plastischer Chirurg. Der Film sei sicher harte Arbeit gewesen, bis er so ein rasantes Tempo hatte. Für Jella Haase ist es gar "eine der schönsten Premieren", Moszkowicz lächelt sich erleichtert durch die Reihen - und Dagtekin schüttelt vor Übermut wildfremden Menschen die Hände.

Man redet, gratuliert, isst, lacht, aber irgendwas stimmt nicht. Ganz offensichtlich gibt es so viel zu besprechen und zu diskutieren, dass nirgendwo die sonst üblichen abgeknickten Köpfe im Display-Licht zu sehen sind. Niemand schaut auf sein Handy, nicht einmal M'Barek.

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Quelle:
SZ vom 23.10.2019
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