Süddeutsche Zeitung

Soziales Projekt:Ein Raum für alle Nachbarn

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Auf dem ehemaligen Paulaner-Gelände haben zwei Kirchengemeinden zusammen das Café "JoMa" gegründet. Es soll zur Begegnungsstätte für Bewohner des Neubaugebiets werden - egal welchen Alters oder Einkommens.

Von Patrik Stäbler

Was sofort ins Auge sticht, sind die fast zwei Dutzend Stühle, von denen keiner dem anderen gleicht. Einige stammen von der Auer Dult, andere aus Antiquariaten und wieder andere von Internetauktionen. Ein solches Sammelsurium ist nicht eben typisch für ein Café - womit man direkt beim Thema ist. Denn jenes Bistro namens JoMa, das am kommenden Montag erstmals seine Türen in der Regerstraße unweit des Nockherbergs öffnen wird, ist in vielerlei Hinsicht kein typisches Café. "Wir sind eine nachbarschaftliche Begegnungsstätte und eine soziale Einrichtung", betont Julia Schroll, Sozialpädagogin und Projektleiterin von JoMa. "Und unser Café soll einen niederschwelligen Zugang darstellen."

Der Name JoMa - das Kürzel steht für Johannes & Maria - ist ein Fingerzeig darauf, wer hinter dem Projekt steht, nämlich die evangelische Kirchengemeinde St. Johannes in Haidhausen und ihr katholisches Pendant im Stadtbezirk, die Pfarrei Mariahilf in der Au. Dass sie diese Einrichtung gemeinsam betreiben, mache den Nachbarschaftstreff zu einem bayernweit einzigartigen Projekt, sagt Dieter Rippel, der ebenso dem paritätisch besetzten Vorstand des Trägervereins angehört wie die Pfarrer der beiden Gemeinden, Peter Dölfel und Michael Schlosser. "Das Innovative daran ist der ökumenische Ansatz", sagt Rippel. Wobei er sogleich hinterher schickt: "Aber natürlich ist diese Begegnungsstätte für die gesamte Nachbarschaft gedacht."

Soll heißen: Sowohl für Menschen, die hier teils schon lange leben, als auch für jene, die erst kürzlich über, neben und rund um den neuen Nachbarschaftstreff eingezogen sind oder dies noch tun werden. Denn das JoMa-Café liegt auf dem ehemaligen Paulaner-Gelände in der Au, wo seit 2017 circa 1500 Wohnungen für 3500 Menschen entstehen. Schon als diese Pläne vor mehr als zehn Jahren publik wurden, kam in der Nachbarschaft der Wunsch nach einer Begegnungsstätte in dem Neubaugebiet auf - erstmals konkretisiert in Form eines Antrags bei der Bürgerversammlung 2010. Fünf Jahre später habe sich dann jedoch herausgestellt, "dass die vom Stadtrat beschlossenen Kriterien für einen Nachbarschaftstreff hier nicht erfüllt sind, weil diese an die soziale Struktur gebunden sind", erläutert Dieter Rippel vom Kirchenvorstand St. Johannes. Oder vereinfacht gesagt: Das Viertel war schlicht zu wohlhabend.

In dem Café wird es keinen Verzehrzwang geben

In der Folge drohte das Projekt zu platzen, doch dann nahmen sich die beiden Kirchengemeinden der Sache an - erst als ökumenische Initiative und seit 2019 als eingetragener Verein. Dieser wurde bei seiner Suche nach Räumlichkeiten im März 2021 fündig und mietete in der Regerstraße auf Höhe der Welfenstraße eine 123 Quadratmeter große Ladenfläche an. Dort ist nun also ein kleines Café entstanden, für dessen Einrichtung die Erzdiözese München-Freising und die Evangelische Landeskirche je 120 000 Euro zur Verfügung gestellt haben. Die Kosten für den laufenden Betrieb wird die Stadt zu 80 Prozent übernehmen; den Rest müssen die zwei Kirchengemeinden über Spenden finanzieren.

Als Betreiber des Cafés hat der Verein JoMa das Sozialunternehmen Diakonia ins Boot geholt, das sich der Förderung beruflicher Integration verschrieben hat. Werktags von 9 bis 17 Uhr werde man zunächst Frühstück und später Kaffee, Kuchen und Bagels servieren, sagt Caféleiter Gerald Kaufmann. Dazu komme ein Mittagstisch mit flexiblen Preisen. Bedeutet: Je nachdem, ob ein Gast arme Menschen unterstützen will oder selbst bedürftig ist, kann er mehr oder weniger als den Normalpreis bezahlen. Unabhängig davon werde im JoMa-Café kein Verzehrzwang herrschen, betont Dieter Rippel. "In München, und besonders in einem Viertel wie Au/Haidhausen, gibt es zu wenig Raum für nichtkommerzielle Begegnungen. Genau hier wollen wir ansetzen."

Um die Menschen aus der Nachbarschaft in die Begegnungsstätte zu locken, soll es neben dem Cafébetrieb verschiedene Angebote geben - von Lesungen und Workshops über einen musikalischen Eltern-Kind-Treff bis hin zu Chorproben. Gerade in der Anfangszeit wolle man jedoch nur wenige fixe Termine vorgeben, sondern vielmehr erfahren, was tatsächlich gebraucht und gewünscht werde, sagt Projektleiterin Julia Schroll von der Caritas München Ost. Sie betont: "Wir haben hier einen Raum, den die Nachbarn bespielen können und sollen." Im Idealfall, so hofft Dieter Rippel, werden sich im JoMa-Café Alteingesessene und Zugezogene begegnen, Arme und Reiche, Familien und Senioren, Katholiken und Protestanten. "Wir wollen", sagt er und deutet dabei auf das Sammelsurium an Stühlen, deren Vielfältigkeit er zuvor ein "bewusstes Zeichen" genannt hat, "dass es hier genau so kunterbunt zugeht."

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