Süddeutsche Zeitung

Indian Food Train:Gut versorgt im Wochenbett

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Pragya Vakil bekocht junge Mütter in den ersten Tagen nach der Geburt mit Gerichten aus ihrer Heimat Indien.

Von Franziska Gerlach

"Eat Ghee!", das sage ihre Mutter beinahe täglich, auch wenn sie wegen der Pandemie nicht nach München reisen konnte. Ghee gilt in Indien als verdauungsfördernd und soll nach einer Schwangerschaft helfen, den Energiehaushalt der Frau aufzubauen. Also nimmt Monica Podili aus Hyderabad, die als Ingenieurin an der Isar arbeitet und hier vor einigen Tagen einen Jungen zur Welt gebracht hat, reichlich von dem süßlich riechenden Butterschmalz mit den Gerichten zu sich, die indische Frauen typischerweise nach einer Geburt im Wochenbett serviert bekommen.

Zwar nicht wie geplant von ihrer eigenen Mutter zubereitet. Dafür aber von Pragya Vakil, die im Wohnzimmer von Podili gerade runde Pappboxen auf den Tisch stellt. Sie ist die Initiatorin des ehrenamtlichen Projekts "Indian Food Train for New Parents & Patients", bei dem junge Mütter sieben Tage lang ein frisch gekochtes Mittag- und Abendessen nach Hause geliefert bekommen. Monica Podili ist die 15. Frau, die Vakil und ihr siebenköpfiges Team in München unterstützen - anstelle der indischen Eltern, von denen viele für gewöhnlich gleich mehrere Wochen nach Deutschland kommen, wenn ihre Kinder selbst Eltern werden. Und nicht das Coronavirus wütet.

Die Idee für den "Indian Food Train" kam Pragya Vakil im April, als in Indien die Infektionszahlen explodierten, das RKI den Subkontinent zum Virusvariantengebiet erklärte und Einreisen nahezu unmöglich wurden. Die Mutter einer sechsjährigen Tochter dachte daran, wie kräftezehrend es sein kann, sich nach der Geburt in den Rhythmus aus Windelwechseln und Füttern einzufinden. Und wie froh sie damals war, dass ihre Mutter für einige Wochen aus Indien zu Besuch kam, sie bekochte und einkaufte, während ihr Mann arbeiten musste. "I started this initiative for the mothers", sagt Vakil. Eine Initiative für Mütter, die zumindest ein Stück weit jene Hilfe kompensieren soll, auf die indische Frauen normalerweise nach einer Geburt bauen können.

Vakil arbeitet im Personalwesen einer Firma in Ismaning, betreibt ein indisches Lebensmittelgeschäft am Rotkreuzplatz und organisiert Events. Anfangs reagierten die Leute skeptisch auf ihr ehrenamtliches Projekt, inzwischen erhält sie zwei bis drei Anfragen pro Tag. Es läuft so gut, dass sie das Angebot über die Pandemie hinaus fortführen will. Sie nimmt die Deckel von den Behältern mit dem Essen, anderthalb Stunden stand sie am Morgen in der Küche: Im Reis stecken Nelken und ein Lorbeerblatt, Zimt habe sie ebenfalls zugefügt, weil der gut für die Milchproduktion sei, erläutert Vakil. Bohnen, Linsen und ein Gericht mit Erbsen und Paneer, indischem Frischkäse, versorgten die Mutter mit Proteinen und Kalzium, alles dezent gewürzt, damit es dem Neugeborenen über die Muttermilch nicht auf die Verdauung schlägt. Monica Podili schmunzelt, sie sei ja eigentlich das "typical Indian spicy girl", eine von der Sorte, die gerne richtig scharf isst.

Sie nimmt ein Stück Fladenbrot, legt es dann aber doch wieder zurück, weil sie vor dem Essen noch schnell nach ihrem Baby sehen wolle, das im Zimmer nebenan vom Vater, einem freiberuflichen Fotografen, herumgetragen wird. Auch ihre Eltern wollten ihr mit dem Baby und im Haushalt helfen, hatten bereits ein Visum. Doch sie erkrankten an Covid-19, beide sehr schwer. Im Übrigen würde ihr Wochenbett, wie die sechs bis acht Wochen nach der Entbindung genannt werden, in Indien mit Sicherheit anders verlaufen. Mindestens vier Leute wären da, um sich um sie zu kümmern, erklärt Podili.

Dafür, dass die junge Mutter nun ohne familiäre Unterstützung klarkommen muss, wird ihr aus Indien viel Mitgefühl entgegengebracht. Pragya Vakil nickt. In ihrem Heimatland würden Frauen massiert und bekocht, müssten nichts tun, als sich ihrem Baby zu widmen. Eine regelrechte Schonzeit also, die deutschen Hebammen sicher gefallen würde, die schon lange mehr Ruhe und Entspannung im Wochenbett fordern. Podili weiß, wie wichtig diese Phase nach der Geburt auch für die Bindung zum Kind ist, will sich voll und ganz auf den Kleinen konzentrieren. Sie hat eine Hebamme, ihr Mann packt ebenfalls mit an. Nachts bekämen sie beide immerhin vier Stunden Schlaf. Also alles recht entspannt. Trotzdem sei es natürlich hilfreich, sich ums Essen keine Gedanken machen zu müssen. Zumindest sieben Tage lang.

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Quelle:
SZ vom 25.06.2021
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