Süddeutsche Zeitung

Ungewöhnlicher Fund am Flughafen:Kokain auf dem Abstellband

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Ein Koffer dreht einsam seine Runden am Münchner Flughafen, darin: 22 Kilo Koks. Wo ist der Schmuggler hin? Ein paar Spekulationen.

Glosse von Max Ferstl

Dieser Koffer war anders. Die Zollfahnder am Münchner Flughafen kennen natürlich die Tricks, mit denen Drogenschmuggler die Ware verstecken: unter einem doppelten Boden zum Beispiel, oder eingearbeitet im Futter. Man muss schon suchen. Bei jenem Koffer allerdings, der Ende September in München ankam, mussten die Fahnder lediglich den Reißverschluss öffnen. Der Koffer war sehr offensichtlich sehr voll mit Kokain: 22 Kilo, gepresst zu Platten, hohe Reinheit. Die Beamten staunten, weil solche Mengen selten im Gepäck transportiert werden. Und noch etwas war ungewöhnlich: Der Koffer schien niemandem zu gehören. Das Kokain im Wert von mehreren Millionen Euro drehte Runde um Runde auf dem Gepäckband, einfach so. Irgendwann war klar, dass ihn keiner mehr holen würde.

"Zoll sucht Besitzer eines Kokain-Koffers", titelte daraufhin die alliterationsaffine Bild-Zeitung. Die Fahnder rätseln: Warum wollte niemand das Kokain haben? Wer macht sich die Mühe, genau 22 Kilo davon in einen Koffer zu packen - exakt ein Kilo unter der Freigepäckgrenze -, um ihn dann einfach stehen zu lassen? Man könne nur spekulieren, sagt der Sprecher des Zollfahndungsamtes.

Ein paar Spekulationen also. Vielleicht hat der Schmuggler den Koffer schlicht verwechselt und ärgert sich nun zu Hause über einen Föhn, einen Badeanzug und ausgelaufenes Duschgel, das ihm nicht gehört. Kennt jeder. Nur kann man als Schmuggler schlecht beim Flughafen anrufen und sagen: "Entschuldigung, ich vermisse meinen Kokain-Koffer. Wo kann ich ihn abholen?"

Plausibel erscheint auch das Szenario, der Schmuggler habe während des Fluges in der Zeitung gelesen, dass München aktuell ein ziemliches Kokain-Problem hat. Es gibt da einen Dealer, der Kokain an Polizisten verkauft hat. Es gibt koksende Polizisten, die das Kokain weiterverkauft und den Kokain verkaufenden Dealer gedeckt haben sollen. Davon geht zumindest die Staatsanwaltschaft aus. Die Stimmung ist angespannt. Vielleicht ist der Schmuggler zu dem Schluss gekommen, dass gerade nicht der beste Zeitpunkt ist, mit einem vollen Kokain-Koffer durch die Stadt zu spazieren.

Diese Spekulation deckt sich im Kern mit der Spekulation, die der Zoll-Sprecher anzubieten hat. Sein Tipp: Der Schmuggler habe "kalte Füße" bekommen bei der Aussicht auf die Zollkontrolle. Also vielleicht.

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Quelle:
SZ vom 08.10.2021
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