Süddeutsche Zeitung

Flüchtlingsheime und Corona:"Wir wollen gerade in der Krise an der Seite der Menschen sein"

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Sieben Wochen, nachdem das Innenministerium den Zugang zu Asylunterkünften verboten hat, dürfen Sozialarbeiter dort wieder Kinder und Jugendliche betreuen.

Von Thomas Anlauf

Nach sieben Wochen können Kinder und Jugendliche in staatlichen Flüchtlingsunterkünften in München wieder pädagogisch betreut werden. Die Innere Mission hatte in der vergangenen Woche eine entsprechende Ausnahmegenehmigung bei der Regierung von Oberbayern beantragt und konnte an diesem Montag die Arbeit in den Gemeinschaftsunterkünften aufnehmen. "Wir freuen uns, dass wir geflüchteten Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern mit unseren pädagogischen Angeboten endlich wieder zur Seite stehen können", sagt Andrea Betz, Abteilungsleiterin für Flüchtlinge, Migration und Integration bei der Inneren Mission.

Auch für die Betreuung in den sogenannten Anker-Einrichtungen in München, in denen Geflüchtete während ihres Asylverfahrens untergebracht werden, hat der Wohlfahrtsverband nach eigenen Aussagen bereits eine mündliche Zusicherung zur Betreuung von der Regierung erhalten. Andrea Betz kommentiert diesen Schritt: "Es ist gut, dass die Regierung von Oberbayern an dieser Stelle ihre Spielräume im Sinne der Menschen ausschöpft." Neben der Flüchtlings- und Integrationsberatung sind nun auch die Mitarbeiter der Unterstützungsangebote in den sieben staatlichen Gemeinschaftsunterkünften wieder im Einsatz.

Das Bayerische Innenministerium hatte wegen der Corona-Pandemie am 26. März ein Zutrittsverbot für Sozialarbeiter erlassen, die zuvor regelmäßig die Unterkünfte besuchten und sowohl Kinder als auch Erwachsene betreuen. Doch mehrere Wohlfahrtsverbände wollten das nicht akzeptieren und stellten Ausnahmeanträge für die Zugangssperre. Bereits fünf Tage nach dem Zutrittsverbot nahmen die Mitarbeiter in staatlichen Unterkünften wieder ihre Arbeit auf, wenngleich zum Teil zeitlich eingeschränkt.

Zunächst war die Betreuung vor allem auf die Asylsozialberatung beschränkt, mit der neuen Ausnahmegenehmigung können auch Kinder, die sieben Wochen lang kaum Kontakt nach draußen hatten geschweige denn einen regelmäßigen Unterricht, wieder betreut werden. "Die Innere Mission will gerade in der Krise an der Seite der Menschen sein", so Andrea Betz, die auch Sprecherin in der Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege (Arge) in München ist. "Deshalb konnten wir ein vollständiges Zutrittsverbot nicht akzeptieren."

Zunächst gehe es vor allem darum, nach dem Wohl der Kinder und ihrer Eltern zu sehen, die jetzt fast zwei Monate lang auf sich gestellt waren, teilt die Innere Mission mit. Außerdem werden die Kinder nun beim Lernen in der Unterkunft unterstützt. Digitales Arbeiten sei für die meisten Kinder in den Einrichtungen nicht möglich, meist mangele es an stabilem Internet, zudem hätten die wenigsten Familien brauchbare Computer-Ausstattungen. Gerade wegen der Kinder kritisiert Andrea Betz die restriktiven Maßnahmen des Ministeriums. Denn der Zugang zu Bildung sei während der Pandemie gerade für die Minderjährigen in den Einrichtungen problematisch. "Je länger der Zugang zu den Regeleinrichtungen fehlt, umso größer wird ihr Defizit", sagt Andrea Betz.

In städtischen Gemeinschaftsunterkünften gab es trotz der Corona-Pandemie auch in den vergangenen Wochen eine Betreuung unter den üblichen Schutzmaßnahmen. Bei den staatlichen Unterkünften hatte sich, wie berichtet, die Caritas aus der Betreuung zurückgezogen. Mittlerweile hat die Caritas jedoch bei der Regierung von Oberbayern ebenfalls Ausnahmegenehmigungen beantragt und auch erhalten. So können nun in den Gemeinschaftsunterkünften an der Heinrich-Wieland-Straße, Pariser Straße, Schwanthalerstraße und Stolzhofstraße Geflüchtete wieder betreut und beraten werden. Zuletzt hatte es eine Kontroverse zwischen Caritas-Vorstand Georg Falterbaum und der Regierung von Oberbayern gegeben. Falterbaum hatte von der Regierung gefordert, "endlich angemessene Schutzmaßnahmen einzuleiten, um Asylbewerber in staatlichen Unterkünften besser zu schützen". Falterbaum und Regierungspräsidentin Maria Els wollen in den nächsten Tagen konstruktive Gespräche führen, wie die Situation in den Unterkünften verbessert werden kann.

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SZ vom 12.05.2020
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