Süddeutsche Zeitung

Verkehr:Achtung vor Münchens Radwegen!

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Der eine wird zur Buckelpiste und haut einen alle zwei Meter aus dem Sattel - und der andere, der grüne am Lenbachplatz, ergraut über Nacht. Wer war da mit dem Farbeimer unterwegs?

Glosse von Ulrike Heidenreich

Uff, gerade nochmal geschafft. Ganz knapp dem Lieferwagen vom Schutzblech gesprungen. Der Fahrer hatte beim Rechtsabbiegen nicht auf den Radweg geschaut. Ist ja auch recht unübersichtlich hier am Mittleren Ring. Plötzlich dieser dunkle Monsterreifen direkt vor der Nase. Doch die Reflexe beim rasanten Ausweichmanöver sind super, die Reaktion geschmeidig. Denn die Muskeln sind locker.

Die Muskeln sind gut durchgerüttelt vom Radweg davor, am Anfang des Arbeitswegs. Auf der Grünwalder Straße selbst liegt zwar der Asphalt samtig weich für die tiefergelegten Karossen, die in die Nachbargemeinde düsen. Doch der Radweg? Fühlt sich an, als sei man auf der Piste zu irgendeiner anderen fernen Steueroase unterwegs, meinetwegen auf Nauru in Mikronesien. Wenn hier an der Grünwalder Straße mal etwas aufgebuddelt werden musste, hat man das zumindest auf dem Radweg später mit einer maximal aufragenden Asphaltwulst repariert. Hoppla! Alle zwei Meter haut's einen aus dem Sattel in die Höhe. Gnade dem, der keine gute Fahrradfederung hat. Dazu noch die Baumwurzeln, die sich quer durch die Spur bohren...

Doch halt! Nicht abschweifen. Beinahe gerade den Lieferwagen übersehen, der mitten auf der Radspur parkt. Alles ein bisschen eng hier - wo soll der sonst auch hin? Vollbremsung also, und jetzt mal kurz ganz tief durchschnaufen, während die Euro-4-Diesel auf halber Armlänge an einem vorbeibrausen. Weiter geht es in rasanter Fahrt durch ein Setting, das die Kollegen von RTL mühevoll für "Ninja Warrior Germany" aufbauen - hier kriegt man den Hürdenlauf geschenkt.

Halt, da war doch was? Bei all der Aufregung gar nicht auf die Farbe des Radwegs geschaut. War der grün? War der rot? Die Farbe scheint ja irgendwie als Erfolgsbilanz für Politikerinnen und Politiker beim Umbau Münchens in eine fahrradgerechte Stadt herhalten zu müssen. Zum Beispiel der Altstadt-Radlring. Als einige Abschnitte mit grüner Farbe und potenziell brenzlige Bereiche rot markiert waren, sprach zum Beispiel die CSU von einem "maßlosen Pharaonenwahn" der grün-roten Stadtregierung und von "Verewigungswahn". Ernsthaft.

Neulich ist etwas Rätselhaftes geschehen: Der neue Radweg am Lenbachplatz, bei der Einweihung im November noch saftig grün, hatte plötzlich seine Farbe verloren. Einfach so. "Lediglich eine oberflächliche Eingrauung des grünen Asphaltbelags" mochte das, genau: grün geführte Baureferat der Stadt da erkennen. Doch ist das die Wahrheit? Oder sind da CSU-Stadträte nachts mit Farbeimern unterwegs, erst nur ein bisschen Grau, damit es nicht so auffällt, und bald sind alle Fahrradwege schwarz? Eine Bitte hierzu: Die Buckel, Stolperschwellen und Baumwurzeln unbedingt rot anmalen.

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