Süddeutsche Zeitung

Haushaltsdebatte im Stadtrat:Abrechnung mit Grün-Rot

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Die Debatte um den 8,3-Milliarden-Haushalt der Stadt war hitzig. Die CSU fordert OB Reiter auf, im Koalitionskrach ein Machtwort zu sprechen - der zitiert Jimi Hendrix und teilt gegen Markus Söder aus.

Von Anna Hoben

Nicht mit Zahlen beginnt der Oberbürgermeister seine Haushaltsrede, sondern mit Krieg und Liebe. "Wenn die Macht der Liebe über die Liebe zur Macht siegt, wird die Welt Frieden finden", das habe Jimi Hendrix gesagt. Zurzeit sei dies wegen Putins Angriffskrieg auf die Ukraine in weiter Ferne, sagt Dieter Reiter (SPD). Aber München habe große Solidarität bewiesen. Und auch wenn die Auswirkungen des Kriegs, die Energiekrise und immer noch auch die Corona-Krise die Stadt viel Geld kosteten, sei der Haushalt "gesund". Mehr als zwei Milliarden Euro plane man 2023 zu investieren, eine "gewaltige Summe". Das könne man auch wegen der Industriepolitik, die dafür sorge, dass Unternehmen in München Geld verdienen können. "Wir sollten als Stadtrat nicht an dem Ast sägen, auf dem wir alle gut sitzen", warnt Reiter.

Und dann verteilt er noch ein paar Seitenhiebe, in Richtung Berlin und in Richtung Staatskanzlei. Von Bund und Freistaat würde er sich mehr Verlässlichkeit wünschen, sagt er. Dass die einen sich nicht "im komplizierten Machtgefüge einer Drei-Parteien-Konstellation verheddern würden" und die anderen nicht "gelenkt würden von einem Miniwindräder schwenkenden Selbstdarsteller, der im Monatsrhythmus seine politischen Grundrichtungen verändert". Und bevor die CSU die Rathauskoalition für die Schaffung von Radwegen kritisieren kann, will Reiter die Kritik gleich mal entkräften: Dafür werde in den kommenden Jahren ein einstelliger Millionenbetrag ausgegeben. Würde die Stadt darauf verzichten, würde das wirtschaftlich "gar nichts" bringen.

Am Ende wird der Stadtrat den Haushaltsplan für 2023 beschließen, mit Auszahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit in Höhe von 8,3 Milliarden Euro und einem Überschuss von 240 Millionen Euro. Die Opposition stimmt gegen den Plan.

Das strategische Ziel, einen Überschusses von 400 Millionen zu erreichen, werde im Haushaltsplan zwar verfehlt, sagte Kämmerer Christoph Frey (SPD) - trotzdem werde es bis 2026 "trotz all der Krisen" einen positiven Saldo geben. Zugleich warnte er, ohne Gegensteuerung werde die Stadt in die Schuldenfalle laufen. Für die mittelfristige Finanzplanung schlage er deshalb ein "Fitnessprogramm" vor. Übung Nummer eins: den Überschuss im laufenden Haushalt stabilisieren und ausweiten. Übung Nummer zwei: Einzahlungen rauf, Ausgaben runter. Übung Nummer drei: die Investitionen im Umfang reduzieren.

Personalreferent Andreas Mickisch (SPD) verwies auf den 2,3 Milliarden Euro schweren Personalhaushalt: "Das zeigt eindrucksvoll, dass die Beschäftigten unser wichtigstes Gut sind." Allein in diesem Jahr habe der Stadtrat mehr als 1000 neue Stellen beschlossen. Das Problem sei mittlerweile, dass man diese kaum noch besetzt bekomme. Ende Oktober habe es 4000 unbesetzte Stellen bei der Stadt gegeben, ein Großteil davon im Lehr- und Erziehungswesen. Und in den kommenden zehn Jahren würden 7500 Beschäftigte ausscheiden. Eine gute Nachricht hatte Mickisch aber auch noch mitgebracht: Bislang habe man 249 Mitarbeitende aus dem zuletzt personell drastisch reduzierten Contact Tracing Team (CTT) für eine Weiterbeschäftigung bei der Stadt gewinnen können.

Noch war die Opposition gar nicht zum Zug gekommen, da antizipierte auch Stadtrat Florian Roth (Grüne) ihre mögliche Kritik. Bei den "Peanuts", die die Radwege angesichts der übrigen Investitionen bedeuteten, von einseitigem Handeln zu sprechen, sei "lächerlich, liebe CSU. Ihre Platte hat einen großen Kratzer, legen Sie eine neue auf". Manchmal schwinde ihm allerdings der Mut, so Roth, wenn er die Herausforderungen der Stadt vergleiche mit den Voraussetzungen, die Land und Bund vorgeben. "Neue Platte!", tönte es an der Stelle von den Bänken der CSU. Roth räumte ein, dass die Koalition bei den "Haltungsnoten" durchaus Luft nach oben habe. Letztlich aber gebe es beim Haushalt eine "ganz große Einigkeit".

Christian Köning, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion SPD/Volt, beschrieb die Unsicherheit in weiten Teilen der Gesellschaft angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage: "Viele Menschen stehen vor finanziellen Existenzängsten." Mit dem Haushaltsplan zeige man auch: "Wir tun, was notwendig ist, damit niemand allein gelassen wird." So bringe man etwa so viel Geld für bezahlbares Wohnen auf wie nie zuvor.

Die Koalition könne noch eine Milliarde Euro mehr in Wohnungsbau stecken, konterte CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl - wenn sie nicht dafür sorge, dass dieser auch für private Unternehmen wieder attraktiver werde, bringe alles nicht viel. Um dann zur Generalattacke überzuleiten und die grün-rote Rathauskoalition mit einem Fußballverein zu vergleichen - nicht das Geld sei das Problem, sondern eine konzeptionslose Vereinsführung. Die Koalition regiere "an den Menschen vorbei", sie sei geprägt von "Uneinigkeit und persönlichen Animositäten" und schlimmer zerstritten als jede andere Koalition seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Als SPD und CSU noch gemeinsam regiert hätten, da hätten sie "nicht mal hinter verschlossenen Türen so gestritten wie Sie in aller Öffentlichkeit". Von OB Reiter würde er sich wünschen, "dass Sie öfter mal auf den Tisch hauen".

Sonja Haider (ÖDP) monierte, dass Klima- und Artenschutz, aber auch die Mobilitäts- und Energiewende noch immer nicht mit der nötigen Verve angepackt würden: "Beschlüsse reichen nicht, wir müssen sie auch effizient umsetzen." Jörg Hoffmann (FDP) reagierte auf die Aufforderung des Oberbürgermeisters, konkrete Sparvorschläge zu machen. 2005, als der Schuldenstand zuletzt so hoch war, wie er im kommenden Jahr werden wird, habe es Haushaltssicherungskonzepte gegeben. So etwas brauche es wieder, "wir dürfen es uns nicht bequem machen". Zudem sollten die Stadtwerke ihre Beteiligungen an Windparks im Ausland veräußern und sich auf ihre Kernaufgaben in der Stadt konzentrieren. Die Koalition solle sich davon verabschieden, auf das Instrument des Vorkaufsrechts zu pochen: "Sagt euren Kollegen in Berlin, sie sollen uns damit in Ruhe lassen." Brigitte Wolf (Linke) kritisierte die weitere Konsolidierung im Verwaltungshaushalt. Diese sei nicht nötig, weil die städtischen Steuereinnahmen aller Wahrscheinlichkeit nach erneut eine Rekordhöhe erreichen würden.

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