Süddeutsche Zeitung

Bayerisches Landeskriminalamt:Die Pandemie zwingt Kriminelle vor den Rechner

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Im ersten Corona-Jahr stieg die Zahl der vom Landeskriminalamt erfassten Straftaten im Vergleich zum Vorjahr stark an. Denn die Pandemie beschleunigt die generelle Entwicklung, dass immer mehr Delikte im Netz stattfinden.

Von Linus Freymark

Daheimbleiben - seit fast eineinhalb Jahren ist das, abgesehen von den sommerlichen Blaupausen, das von der Politik vorgegebene Motto. Klar, dass entsprechende Hashtags vor allem im Frühling 2020 auf Instagram und Twitter trendeten, wer es sich leisten konnte, blieb zuhause, im zurückliegenden Winter war der nächtliche Gang vor die Tür ja sogar eine Ordnungswidrigkeit.

Die Corona-Maßnahmen bringen auch für Kriminelle einschneidende Veränderungen mit sich. Denn wen soll man denn bitte beklauen, wenn kaum jemand auf der Straße ist, wo und wem verkauft man seine Drogen, wenn die einschlägigen Clubs zu sind. Also mussten auch jene auf die "neue Normalität" reagieren, die ihr Geld bislang vor allem mit Diebstählen, Überfällen und sonstiger Straßenkriminalität verdienten - eine Tätigkeit, die sich naturgemäß nur schwer ins Home-Office verlagern lässt. Und so bot etwa der eine oder andere klassische Straßendealer seine Dienstleistung nicht mehr am Kiosk an der Ecke an, sondern agierte während des Lockdowns verstärkt im Darknet.

Ein Trend, der sich auch in der Statistik des Bayerischen Landeskriminalamtes (BLKA) niederschlägt. Die Cyber-Delikte werden dort unter dem Sammelbegriff "Computerkriminalität" zusammengefasst, und ein Blick darauf zeigt: Im ersten Corona-Jahr 2020 hat die Zahl dieser Straftaten in Bayern einen neuen Höchststand erreicht. 16 898 Vergehen erfasste das BLKA im vergangenen Jahr, zum Vergleich: der letzte Rekord von 2016 listete 15 076 Delikte auf. 2018 waren es 13 660, seitdem steigen die Zahlen wieder. Ein Trend, offenbar auch verstärkt durch die Corona-Pandemie. Für das Jahr 2021 liegt dem BLKA noch keine Statistik vor.

Auch in München sind die in der digitalen Welt verübten Verbrechen nach einem Rekordjahr 2016 und einem Rückgang in den darauffolgenden Jahren seit Beginn der Pandemie wieder gestiegen. Registrierte das BLKA vor fünf Jahren noch 1122 Cyber-Delikte, waren es 2018 nur noch 718 und 2019 750. Im vergangenen Jahr erfasste das BLKA nun 850 Fälle.

Ein Anstieg, den sie in der Behörde neben den zusätzlichen technischen Möglichkeiten, die den Kriminellen zur Verfügung stehen, auch mit den Folgen der Pandemie erklären. Im Umland dagegen lässt sich kein Zusammenhang zwischen den Corona-Maßnahmen und einer Verlagerung der Kriminalität ins Netz feststellen. Für den Landkreis München erfasste das BLKA 2020 146 Straftaten aus dem Spektrum Computerkriminalität - im Vorjahr waren es mit 134 nur zwölf Delikte weniger.

Beim Landeskriminalamt reagieren sie auf die neuen Formen der Kriminalität

Nichtsdestotrotz rüsten sie sich beim BLKA gegen die zunehmende Verlagerung der Kriminalität ins Internet. Dabei haben es die Beamten auch immer wieder mit neuen Phänomenen zu tun. In den letzten Jahren etwa mehrten sich die Fälle von Anlagebetrug, und dann ist da natürlich noch die Hasskriminalität, die sich mit dem Aufkommen der sozialen Medien einen festen Platz in der Kriminalstatistik erarbeitet hat und durch politische Entwicklungen wie den Flüchtlingsherbst 2015 oder nun eben Corona nicht weniger geworden ist. Hinzu kommen Rauschgiftdelikte, Geldwäsche oder Waffenhandel. Hierbei agieren die Täter oft im Darknet, einem Bereich des World Wide Webs, in dem es für die Behörden besonders schwer ist, Verdächtige zu identifizieren.

Das BLKA reagiert auf die zunehmende Kriminalität im Digitalen mit einem Ausbau der eigenen Ressourcen. Neben regelmäßiger technischer Aufrüstung gehört dazu auch eine Aufstockung des Personals, das sich mit Computerkriminalität befasst. So gibt es beim BLKA etwa eine Task-Force Cybercrime, die sich neben der Aufklärung von verübten Straftaten auch um die Prävention kümmert und etwa Unternehmen darauf vorbereitet, wie sie sich bei einem Hackerangriff zu verhalten haben.

Und auch für akute Bedrohungen gibt es seit Kurzem zudem eine Einheit, die bei Bedarf sofort reagieren kann. Denn die Angst vor dem nächsten Lockdown dürfte die Kreativität der Kriminellen im Netz zusätzlich befeuern.

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Quelle:
SZ vom 24.08.2021
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