Süddeutsche Zeitung

Stadt München:"Wir sind noch sehr papierlastig"

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Viele Beschäftigte der Verwaltung arbeiten derzeit im Home-Office - die Möglichkeit dazu soll es auch nach der Pandemie geben. Die Stadt spart das Geld. Problematisch bleibt, dass die interne Digitalisierung nur schleppend vorangeht.

Von Anna Hoben, München

Jeder sechste Beschäftigte bei der Stadt hat in der vergangenen Woche komplett von zu Hause aus gearbeitet. 61,5 Prozent waren teilweise im Home-Office. Gut jeder Fünfte hat die Möglichkeit nicht genutzt, sondern ist stattdessen täglich ins Büro gegangen. Die Zahlen beziehen sich auf jene Bereiche, in denen Home-Office grundsätzlich möglich ist. Corona hat in der Arbeitswelt vieles um 180 Grad gedreht - auch bei der Landeshauptstadt, dem mit etwa 40 000 Beschäftigten größten Arbeitgeber in München.

Eine Dienstvereinbarung zur sogenannten Telearbeit, einen Home-Office-Zuschuss und die Möglichkeit von Videokonferenzen, all das gab es bei der Stadt auch früher schon. Es spielte nur praktisch keine Rolle - bis Corona kam. Am 29. Februar 2020 war Personal- und Organisationsreferent Alexander Dietrich beim Starkbierfest in Moosach, als die damalige Gesundheitsreferentin Stephanie Jacobs ihn auf dem Handy anrief: die Situation in Tirol, die Rückkehrer aus dem Faschingsurlaub, man müsse unbedingt reagieren. Sie trafen sich dann, Jacobs, die damalige Stadtschulrätin Beatrix Zurek und er, und entschieden, die Urlaubsrückkehrer aufzufordern, zu Hause zu bleiben. "Danach ging es im Akkord", sagt Dietrich, Woche für Woche gab es neue Entwicklungen.

Am 1. März veröffentlichte die Stadt ihre erste Dienstanweisung zum Schutz vor dem Coronavirus für Beschäftigte. Sie ist seitdem immer wieder angepasst und weiterentwickelt worden, mittlerweile liegt Version Nummer 23 vor. Darin geht es etwa um die Umsetzung der Abstands- und Hygieneregeln, aber auch um bezahlte Freistellungen für die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftige Angehörige - 5000 Beschäftigte haben davon Gebrauch gemacht. Seit Beginn der Maskenpflicht hat die Stadt 1,15 Millionen Euro für Masken bezahlt. Seit Ende August gilt ein Home-Office-Gebot. 22 500 Tokens hat die Stadt mittlerweile ausgegeben, mit denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich ins städtische Netz einloggen können. Etwa 15 000 nutzen das täglich. In einer Umfrage gaben im November drei Viertel der Befragten an, sie könnten sich vorstellen, künftig regelmäßig im Home-Office zu arbeiten. Jeder Zweite würde sogar auf einen festen Büroarbeitsplatz verzichten.

Vor Corona gab es für Home-Office-Nutzer eine Pauschale von 40 Euro (Beamte) beziehungsweise 45 Euro (Tarifbeschäftigte) im Monat. Während der Pandemie ist sie ausgesetzt worden - ausgerechnet in einer Zeit also, in der besonders viele Beschäftigte die Möglichkeit nutzen. Dies sei zum einen der Haushaltssituation geschuldet, sagt Dietrich - im Jahr 2020 brachen der Stadt Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von Hunderten Millionen Euro weg. Zum anderen sei der Fahrtkostenzuschuss weiter bezahlt worden. Wie man damit künftig umgehe, sei noch zu klären, auch in Gesprächen mit dem Personalrat.

Auch die zuvor eher strengen Genehmigungsverfahren für eine Tätigkeit im Home-Office wurden ausgesetzt - man schaute also etwa bei der Ergonomie des Arbeitsplatzes nicht so genau hin. Die Beschäftigten seien aber darüber informiert worden, worauf zu achten ist, sagt Dietrich. Man habe möglichst pragmatisch vorgehen und keine zusätzlichen Hürden aufbauen wollen.

Und was bleibt nach der Pandemie? Die Stadt wolle das Home-Office "unbedingt beibehalten", so Dietrich, es habe sich gezeigt, dass die Leute "diese neue Arbeitswelt" wollen. Die Stadt wiederum kann durch den Wegfall von Büromieten perspektivisch viel Geld sparen. Wegfallen werden aber auch Stellen: Etwa 1000 sollen 2021 nicht nachbesetzt werden. Bewerbungsgespräche und Fortbildungen finden zurzeit hauptsächlich online statt.

Skeptisch ist Dietrich nur, wenn es darum geht, ausschließlich von zu Hause aus zu arbeiten - es brauche schon auch den Kontakt zu Kollegen. Grundsätzlich soll künftig alles noch problemloser gehen, und dafür muss es vor allem mit der Digitalisierung vorangehen. Denn ein Grund gegen Home-Office waren immer die Akten, die hin- und hertransportiert werden mussten. "Wir sind noch sehr papierlastig", so Dietrich. Das Problem: Durch die schlechte Haushaltslage stehe auch weniger Geld für IT-Vorhaben zur Verfügung, so dass sich die interne Digitalisierung sogar noch verzögern könnte. Immerhin sollen bis 2023/24 alle Personalakten digital sein. Ein Projekt mit Vorrang - und ein immenser Aufwand.

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Quelle:
SZ vom 02.03.2021
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