Süddeutsche Zeitung

Premiere des Circus Krone:Heiß auf die Manege

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Die Artisten sind nicht zu bremsen, die Raubtiere können es kaum erwarten: Der Circus Krone feiert seine erste Premiere nach zwei Jahren - mit emotionalen Momenten, extra viel Abstand und einer überraschenden Eröffnung.

Von Barbara Hordych, München

Spannung und Erwartung liegen in der Luft. Die Schlange draußen vor dem Circus-Krone-Bau bewegt sich trotz der Kontrollen der Impfausweise erfreulich schnell vorwärts. Drinnen scheint alles wie immer, wie vor knapp zwei Jahren, als die für lange Zeit letzte Winterspielzeit begann, die dann abrupt am 13. März 2020 endete. Jetzt aber weisen einem am Einlass wieder die freundlichen Damen und Herren in den roten Krone-Uniformen die Plätze an. Doch im Manegenrund ein unerwarteter Anblick: Der Raubtierkäfig, der traditionell für die Löwen von Co-Direktor Martin Lacey in der Pause vor der zweiten Hälfte aufgebaut wird, steht schon jetzt.

Mit seiner Raubtiernummer eröffnet das Programm: Ein Löwe mit prächtiger Mähne thront oben auf einem Podest, während die anderen Raubkatzen, darunter auch ein Tiger, ihre Plätze einnehmen. Es sind vertraute Elemente wiederzuerkennen: Die Tiere richten sich auf, tauschen in eleganten Sprüngen die Sitze. Dann legen sie plötzlich los, rennen und springen an der Käfigwand entlang, dass die Stäbe nur so zittern. Und da sind auch wieder die "Scheinangriffe", eine Inszenierung, bei der Lacey genau darauf achten muss, dass sie nicht eine gewisse Grenze überschreiten, ihn in wirkliche Gefahr bringen.

"Die Löwen haben das Eintreffen der Artisten mitbekommen, wurden immer ungeduldiger"

Und natürlich zelebriert er wieder seine ungewöhnliche Nähe zu seinen Tieren. Mit denen er kraulend über den Boden rollt, die sich mit ihren mehreren Hundert Kilo zärtlich auf ihn legen. "Meine Löwen haben ein Jahr und elf Monate auf diesen Tag gewartet, sie hatten die Schnauze voll von Proben ohne Publikum, ich musste das Programm einfach mit ihnen anfangen, sie haben das erwachende Leben, das Eintreffen der Artisten mitbekommen, wurden immer ungeduldiger", sagt Lacey nach seiner Vorführung, die das Publikum mit stehendem Applaus honoriert.

Ja, diese Vor-Premiere ist für alle Beteiligten etwas ganz Besonderes. Lange haben die Circus-Direktorin Jana Mandana Lacey-Krone und ihr Mann, der britische Raubtierlehrer Lacey, mit der Öffnung ihres Unternehmens gewartet, "mit einer erlaubten Auslastung von 25 Prozent rechnet es sich für uns einfach nicht", hatte die Chefin noch im Januar erklärt. Obwohl dieser Leerlauf für sie eine finanzielle Katastrophe war, haben sie an ihren 130 Mitarbeitern festgehalten, keinen entlassen.

Jetzt ist sogar eine Auslastung von 75 Prozent erlaubt, aber das erschien dem Direktorenpaar für den Start zu viel. Eingeladen waren nur rund 600 Zuschauer, sie sollten an diesem wichtigen Abend, endlich wieder mit Live-Orchester und Bühnenlicht, ein Gefühl von "Luft und Sicherheit" haben, wie Lacey erklärt. Deshalb werden sie die Besucherzahl nur langsam steigern, am Wochenende werden 1000 Besucher im Krone-Bau erwartet.

Ein Artist stürzt in der Probe vom Pferd - und will trotzdem unbedingt auftreten

Wie sehr die 60 Artisten, Clowns und Musiker aus aller Welt diesen Abend ersehnt haben, zeigt das Schicksal des italienisch-tschechischen Paars Eliane und Daniel Stipka: Sie vollführen ein Pas de deux mit zwei Friesenhengsten, das Werfen, Stemmen und Fangen auf den zwei schwankenden Pferderücken mündet in den freien Stand Elianes auf dem Kopf ihres Mannes.

Dabei war der nur einige Stunden zuvor vom Pferd gestürzt. Eine eiligst im Isarklinikum in der Sonnenstraße angesetzte Untersuchung ergab: Muskelfaserriss im Oberschenkel. Schon begann man mit einer Umplanung des Programms, als Stipka sagte: Ich will auftreten! Er habe zwei Jahre auf diesen Moment hingearbeitet, eine Absage komme für ihn nicht in Frage. Mit einer Einschränkung: Am Schluss springe er nicht vom Pferd, sondern reite stehend hinaus. "Für uns Artisten ist der Zirkus eben keine Arbeit, er ist unser Leben!", sagt Lacey.

Tatsächlich entfachen die Künstler in der Manege eine Energie, die für das Publikum greifbar ist. Einerlei ob es die aus Marokko kommende Truppe Mustafa Danguir ist, die an und auf zwei rotierenden Riesenrädern in schwindelerregender Höhe entlangläuft, außen an den dahinsausenden Rädern sogar einen doppelten Salto Mortale springt. Oder ob es das junge Akrobatikpaar Anastasia und Mykailo vom ukrainischen Circus-Theater Bingo ist, das für seine Darbietung nur seine Körper mitgebracht hat; mit diesen gleiten sie in einer vollendeten Hebe- und Balance-Technik von einer Skulptur zu nächsten.

Die Direktorin Jana Mandana Lacey-Krone und ihr kongenialer Partner Hans Ludwig Suppmeier wiederum präsentieren mit ihren Pferden elegante Lauffiguren und variantenreiche Steiger, erzeugen zur Musik von "Mary Poppins" auch sehr träumerisch-poetische Bilder. "New Memories", so der Titel des Programms, will Krone seinem Publikum bescheren. Von diesem Abend werden sehr emotionale Momente in Erinnerung bleiben. Dazu gehören auch die Tränen, die dem "Löwen-Mann" Lacey beim Finale in den Augen glitzern.

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