Süddeutsche Zeitung

Rettungshubschrauber:Die fliegende Intensivstation

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"Christoph München" war der erste offizielle Intensivtransport-Hubschrauber Deutschlands, vor genau 30 Jahren wurde er in Dienst gestellt. Und die Crews waren immer wieder Vorreiter bei der Weiterentwicklung der Luftrettung.

Von Andreas Schubert

Genau 1179 Mal musste der Rettungshubschrauber der DRF Luftrettung im vergangenen Jahr zu Einsätzen ausrücken. Doch etwas war anders als in den Jahren zuvor: Während die Retter deutlich weniger Unfälle bei Freizeitaktivitäten oder im Berufsverkehr zählten, mussten sie immer häufiger mit dem Coronavirus infizierte Intensivpatienten transportieren. Und das ist selbst für erfahrenes medizinisches Personal eine Herausforderung: Denn zu den erforderlichen Schutzmaßnahmen, damit sich die Helfer nicht selbst anstecken, muss jeder Hubschrauber nach dem Transport eines Covid-19-Patienten komplett desinfiziert werden - das dauert dann schon mal zwei bis drei Stunden, wie Lucas Sälzle berichtet. Der 29-Jährige ist Notfallsanitäter und seit zwei Jahren bei der DRF Luftrettung. Ein anspruchsvoller Job, aber: "Für mich war das immer ein Traumberuf", sagt er.

Der Heli der DRF Luftrettung trägt den Namen "Christoph München" (nicht zu verwechseln mit Christoph 1 der ADAC-Luftrettung) und ist eine fliegende Intensivstation mit Beatmungsgerät, EKG, Spritzenpumpen und was sonst noch so alles zur Ausrüstung der Intensivmedizin gehört. Der Hubschrauber wird durch die Koordinierungsstelle für die bayerischen Intensivtransporthubschrauber, die in die Integrierte Leitstelle München eingebettet ist, disponiert. Das Angebot stellt den Transport von Intensivpatienten in Oberbayern, aber auch überregional, rund um die Uhr sicher. Erst an diesem Dienstag war der Hubschrauber für einen Patiententransport nach Sachsen im Einsatz.

Intensivmedizinische Maßnahmen können ohne Einschränkungen auch unter Transportbedingungen bis in die weiterversorgende Klinik fortgesetzt und sogar ausgeweitet werden. So kann die Crew zum Beispiel auch Patienten mit Herz- oder Lungenversagen versorgen und stabil transportieren. Auch ein Inkubator für Neugeborene kommt im Heli zum Einsatz. Stationiert ist Christoph München am Klinikum Großhadern.

Am 1. April vor genau 30 Jahren wurde Christoph München als erster offizieller Intensivtransporthubschrauber (ITH) Deutschlands in Dienst gestellt, inzwischen gibt es vier Stationen in Bayern, 31 weitere im Rest Deutschlands sowie in Österreich und Liechtenstein. Das 30. Jubiläum, hätten sie bei der DRF gerne gefeiert. Aber wegen Corona fällt die Feier fällt aus und wird vielleicht im Sommer mit einem Tag der offenen Tür nachgeholt, "wenn es die Situation zulässt", sagt Sascha Netzer, 44, Pilot und Leiter der DRF-Station am Klinikum Großhadern.

Von Beginn an bis heute stellt das Klinikum Großhadern die Ärztinnen und Ärzte für die Münchner Einsätze, der Arbeiter Samariter Bund das Sanitätspersonal. Seit 1991 hat sich einiges verändert, wie Johann Haslberger zu erzählen weiß. Der 62 Jahre alte Pilot ist seit Beginn der Intensivtransporte in der Luft dabei. Mussten die Hubschrauber anfangs noch in Riem starten und den Notarzt in Großhadern abholen, bevor es zum Einsatz ging, heben sie seit 1996 direkt neben der Klinik ab. Erst seit 2006 gibt es dort auch einen eigenen Hangar samt Kerosin-Tankstelle und seit 2011 ein neues Betriebsgebäude.

Haslberger hat viele prägnante Einsätze erlebt, etwa das Zugunglück bei Bad Aibling 2016, wo die Crew seiner Erinnerung nach als erste vor Ort war, oder den Transport eines schwerkranken Kindes über die Alpen 2006. Die Crew besteht immer aus einem Notarzt, einem Sanitäter und einem Piloten, nachts sind zwei Piloten im Cockpit. Geflogen wird rund um die Uhr, das ganze Jahr. Das gesamte Münchner Team besteht aus zehn Piloten, sieben Sanitätern und 25 Notärzten.

Bei nächtlichen Einsätzen tragen die Piloten seit 2009 Nachtsichtgeräte, auch hier waren die Münchner Pioniere. Rein nach Instrumenten zu fliegen ist nur ab einer bestimmten Höhe erlaubt. Dabei wäre das möglich, sagt Haslberger, bei schlechten Sichtverhältnissen würde ein Flug nach Instrumenten einiges erleichtern. Eine weitere Verbesserung wäre laut Haslberger ein Landeplatz auf dem Dach, wie es ihn in vielen Kliniken gibt, aber nicht in Großhadern. Wird ein Patient per Heli eingeliefert, muss ihn erst ein Krankenwagen am Landeplatz holen. Auch die Anlieferung in die Innenstadtkliniken verlangt Aufwand. Der Heli muss dann mitten auf dem Goetheplatz landen, der vorher von Polizei und Feuerwehr abgesperrt wird. Das klappt aber ganz gut, wie die Piloten erzählen.

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Quelle:
SZ vom 01.04.2021
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