Süddeutsche Zeitung

München:Veranstalter der Christkindlmärkte haben noch Hoffnung

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Angesichts des Infektionsgeschehens sind bereits viele Christkindlmärkte abgesagt worden. Einige Veranstalter wollen den traditionellen Advent doch noch retten. Am Freitag entscheidet der Krisenstab.

Von Jutta Czeguhn, München

Die Adventszeit wird in diesem Jahr definitiv anders sein. In Nürnberg haben sie die Reißleine gezogen und - noch vor Bekanntwerden des November-Lockdowns - die Mutter aller vorweihnachtlichen Sausen, den Christkindlesmarkt, abgesagt. München wird definitiv auf sein Winter-Tollwood verzichten müssen, nur eine zwölf Meter hohe Phönix-Skulptur wird als Zeichen der Hoffnung auf der Theresienwiese stehen. Ob all die anderen Christkindlmärkte - der große auf und um den Marienplatz, aber auch die vielen kleinen Budenzaubereien in den Stadtvierteln - stattfinden können, entscheidet an diesem Freitag der Krisenstab der Landeshauptstadt. Etliche dieser privaten Klein- und Kleinstveranstalter haben schon von sich aus das Handtuch geworfen, für 14 Weihnachtsmärkte allerdings liegen dem Kreisverwaltungsreferat noch Anträge vor.

Wie die Stadt für ihren Traditions-Weihnachtsmarkt haben auch die privaten Veranstalter intensiv an Durchführplänen gefeilt. Das Tollwood-Team hatte ein reduziertes Konzept eingereicht mit separaten Themendörfern, komplett open air, ohne Zelte, mit nur einem Drittel der bisherigen Markt- und Gastronomiestände, Höchstbesucherzahlen. Angesichts der rasant gestiegenen Inzidenzwerte und der Unberechenbarkeit der weiteren Entwicklung sahen sie sich ebenso zur Absage gezwungen wie Diego Ertl, Veranstalter des Mittelalter-Weihnachtsmarkts am Wittelsbacherplatz. Es sei "unverantwortlich, anders zu entscheiden", so Ertl, die Durchführung sei "aus ethischen Gründen nicht vertretbar", er sieht in der Absage einen "Beitrag zum Schutze der Allgemeinheit".

Ähnlich argumentieren auch die Betreiber des Christkindlmarktes in Pasing auf dem Kirchplatz von Maria Schutz: "Jeder von uns musste dieses Jahr mehr oder weniger persönlich erfahren, dass Corona Opfer fordert. Solange wir aber noch selbst entscheiden können, welches Opfer wir bringen, dürfte die Absage des diesjährigen Pasinger Christkindlmarktes zwar traurig, aber wohl eines der verträglichsten Opfer sein."

Eine Absage nach der anderen trudelt nun aus den verschiedenen Stadtteilen und aus dem Würmtal ein: Die Blutenburger Weihnacht wird es heuer ebenso wenig geben wie die traditionelle Krippen-Schau im Obermenzinger Zehentstadel. Das dynamische Infektionsgeschehen hat auch die Gemeinde Gräfelfing veranlasst, ihren Christkindlmarkt heuer zu streichen. Lebkuchen, Glühwein oder Kunsthandwerk - auf dem Platz vor St. Canisius in Hadern wird es das nicht geben. Auch kein festlich geschmücktes Truderinger Kulturzentrum, wo sonst traditionell die Hobbykünstler Ende November ihre Werke anbieten. Leer bleiben wird im November der Platz neben dem Cosimabad in Bogenhausen: kein Weihnachtszauberwald. Allerdings wollen die Veranstalter noch nicht völlig aufgeben und womöglich im Dezember erst starten, mit Budenbetrieb bis in den Januar.

Last Christmas?: die Weihnachtsmärkte an der Münchner Freiheit,...

...am Stephansplatz,...

...am Harras,...

...am Rotkreuzplatz...

...und in Haidhausen.

Überhaupt scheinen die kleineren Veranstalter, vielleicht weil sie organisatorisch etwas flexibler sind als die großen, sich noch Türen offenzuhalten. Vielerorts laufen Überlegungen, wie der traditionelle Advent doch noch irgendwie zu retten ist: In Martinsried etwa plant der Verein Martinsrieder Christkindlmarkt einen eigenen Stand am Martinsplatz. In Planegg denkt der Gewerbeverein laut darüber nach, auf der Bahnhofstraße ein oder zwei Buden aufzustellen. In Neuried hofft Bürgermeister Harald Zipfel, dass mithilfe von QR-Codes permanent die Zahl der Markt-Besucherinnen und -Besucher kontrolliert werden könnte. Die Menschen brauchten so etwas, und auch Künstler und Musiker brauchten die Chance, aufzutreten.

Und dann gibt es noch jene, die immer noch auf eine Genehmigung des Kreisverwaltungsreferates für ihre eingereichten Konzepte hoffen: Der Verein "Wir in Giesing" etwa will von Dezember bis Januar auf dem Grünspitz seinen Wintermarkt veranstalten, mit Verkaufshütten, Livekonzerten. Man verfüge über ein Schutz- und Hygienekonzept, der Wintermarkt sei nicht besonders groß und finde ja im Freien statt, so Vorstandsmitglied Ruth Feile optimistisch. "Versuchen wollten wir es auf jeden Fall." Dass sich das Corona-Blatt womöglich doch noch wendet, darauf hofft auch der Verein, der den Schwabinger Weihnachtsmarkt an der Münchner Freiheit betreibt. "Der Vorstand wird am Freitag entscheiden", sagt eine am Telefon hörbar bedrückte Nina Thorp, die Vorsitzende: "Das geht uns allen extrem nah."

Noch Hoffnung haben auch die Veranstalter des Haidhauser Weihnachtsmarkts am Weißenburger Platz, die heuer statt mit 50 mit 40 Ständen planen und schon ein Minus einkalkulieren: "Wir werden wahrscheinlich mehr ausgeben als wir einnehmen", sagt Andreas Micksch vom Verein für Veranstaltungen in Haidhausen. Doch besser als nichts: "Viele unserer Vereinsmitglieder sind Schausteller, bei denen ist dieses Jahr schon so viel ausgefallen." Mit Bangen auf die Entscheidung des Krisenstabes blicken auch die Organisatoren der Weihnachtsmärkte am Harras, am Moosacher Sankt-Martins-Platz oder im Pelkovenschlössl. In Neuhausen wird der Christkindlmarkt am Rotkreuzplatz von zwei Veranstaltern bestritten, der kleinere Partner, der Neuhauser Weihnachtsmarkt-Verein, beschloss zu verzichten. "Das gibt uns natürlich die Möglichkeit, uns mehr auszubreiten, mehr Abstand zwischen den Buden zu halten", erklärt Edmund Radlinger vom Münchner Schaustellerverein, der seit 1983 den Neuhauser Weihnachtsmarkt organisiert.

Auch die Veranstalter des Weihnachtsmarktes der Alten Utting haben bislang nicht aufgegeben. Und Pink-Christmas, Münchens queerer Weihnachtsmarkt am Stephansplatz im Glockenbachviertel, will eigentlich am 23. November starten. Ohne Liveshows, mit aufwendigem Hygienekonzept (Registrieren und Fiebermessen) und mit dem rosa-roten Stern. "Nicht Angst verbreiten, sondern Sicherheit aufbauen und das Leben weiterlaufen lassen", sagt einer der Veranstalter.

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Quelle:
SZ vom 30.10.2020
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