Süddeutsche Zeitung

Olympiagelände München:Friedenskirche von "Väterchen Timofei" abgebrannt

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Der Eremit hatte die Kirche aus Schutt und Unrat selbst gebaut. Inzwischen hat die Polizei auch die Brandursache ermittelt.

Von Stephan Handel

Die Ost-West-Friedenskirche auf dem Olympiagelände ist in der Nacht zum Sonntag komplett abgebrannt. Gegen 1.10 Uhr hatten mehrere Anrufer die Integrierte Leitstelle über Feuerschein und Funkenflug am Spiridon-Louis-Ring informiert. Als Feuerwehr und Polizei eintrafen, stand die Kirche bereits im Vollbrand. Der Feuerwehr gelang es zwar, ein Übergreifen der Flammen auf Stromleitungen und Bäume zu verhindern, das hölzerne Kirchengebäude brannte jedoch komplett ab. Die Polizei kontrollierte um die 30 Passanten in der Nähe der Brandstelle, ein Tatverdacht ergab sich jedoch nicht - die Brandursache war zunächst unklar, am Nachmittag meldete die Polizei dann, dass Brandstiftung ausgeschlossen werden könne und ein technischer Defekt an der Elektronik im Inneren der Kirche das Feuer ausgelöst hatte.

Den Brand hatte die Feuerwehr nach 20 Minuten unter Kontrolle, Nachlöscharbeiten dauerten bis gegen 3 Uhr. Als gegen 5.30 Uhr die Brandstelle noch einmal kontrolliert wurde, mussten weitere Glutnester gelöscht werden.

Die Ost-West-Friedenskirche war seit 1952 vom Eremit Timofei Wassiljewitsch Prochorow, genannt Väterchen Timofei, und seiner Frau Natascha gebaut worden. Beide lebten nahe der Kirche in einem ebenfalls selbst gebauten Haus. Beide Gebäude waren illegal errichtet, die Behörden duldeten die Schwarzbauten jedoch.

Bei den Planungen für die Olympischen Spiele von 1972 sollten Kirche und Wohnhaus eigentlich abgerissen werden. Nach Protesten wurde der Plan jedoch geändert, die Eremitage wurde erhalten. Christian Ude hat als Oberbürgermeister die Schwarzbauten nachträglich legalisiert.

"Väterchen Timofei" war nach dem Zweiten Weltkrieg auf abenteuerliche Art nach München gelangt. Er behauptete stets, im Jahr 1894 in Russland geboren zu sein - dann wäre er bei seinem Tod im Jahr 2004 bereits 110 Jahre alt gewesen. Sein Frau Natascha war 1977 gestorben. Seine letzten Jahre verbrachte er hauptsächlich in Altenheimen und Krankenhäusern. Er liegt auf dem Westfriedhof begraben.

Die Polizei konnte am Sonntag zur Höhe des Schadens kein Angaben machen, weil "der immaterielle Wert deutlich höher als der eigentliche Wert des Gebäudes lag. Das Gelände rund um die Kirche ist frei zugänglich, die Kirche selbst, die von einer Stiftung verwaltet wurde, wurde nur mit Terminvereinbarung geöffnet.

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