Süddeutsche Zeitung

Verlagerung nach Pullach:"Ich verurteile das komplett"

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Nach Bekanntwerden der Umzugspläne der Bayerischen Hausbau fordern die Parteien im Stadtrat, das System der Gewerbesteueroasen abzuschaffen. Konkrete Kritik an dem Immobilienkonzern äußern aber nur Stadträte der Linken - und der FDP.

Von Sebastian Krass

Der Bund soll Gewerbesteueroasen im Umland von Großstädten wie München trockenlegen: Diese Forderung erhebt die Stadtpolitik quer durch die Parteien, nachdem durch einen SZ-Bericht bekannt geworden ist, dass das traditionsreiche Münchner Immobilienunternehmen Bayerische Hausbau seinen Sitz zum 1. Oktober nach Pullach verlegt - weil dort der Satz für die Gewerbesteuer nur gut halb so hoch ist wie in München. "Um eine lebenswerte Stadt erhalten zu können, brauchen wir Steuereinnahmen. Es ist deshalb überfällig, dass der Bund das Gewerbesteuergesetz reformiert, um Steuerdumping zu unterbinden", erklärte Wirtschaftsbürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) am Donnerstag.

Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU) ging in seiner Wortwahl noch weiter. "Krass schwachsinnig" nennt er das aktuelle System. Eine Gemeinde muss für den Hebesatz, also die Maßzahl für die Höhe Gewerbesteuer, lediglich den Mindestwert 200 beachten. Grünwald, Gräfelfing oder Pullach haben Hebesätze um 250, während der Hebesatz in München 490 beträgt. Es sei am Bundestag, "sich zu fragen, ob dieser sich vertiefende Missstand noch haltbar ist". Baumgärtner plädiert für die Regelung, dass der Hebesatz zwischen benachbarten Kommunen sich nur um maximal 20 Prozent unterscheiden darf.

Christian Köning, Stadtvorsitzender der SPD und Mitglied des Finanzausschusses im Stadtrat, sagt, München investiere "unter großen Anstrengungen jährlich viele hundert Millionen Euro dafür, dass die Stadt bezahlbar bleibt und für die Zukunft gerüstet ist: in Schulen, Kitas, günstigen Wohnraum, den ÖPNV und den Klimaschutz". Wenn Firmen wegen niedriger Steuern vor die Tore Münchens zögen, "entzieht uns das hierfür den Boden".

Auffällig ist, dass viele Vertreterinnen und Vertreter der Stadtregierung direkte Kritik an der Bayerischen Hausbau, die Jahr für Jahr Gewinne vor Steuern in zwei- bis dreistelliger Millionenhöhe einfährt und der Milliardärsfamilie Schörghuber gehört, vermeiden.

Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sagte zwar, "natürlich" ärgere es ihn, "wenn Firmen aus München wegziehen". Die Hausbau habe ihn am Dienstag, nach der Anfrage der SZ zum Umzug, "telefonisch über ihr Vorhaben informiert, damit ich dies nicht erst aus der Presse erfahren muss". Ansonsten klang Reiter fast verständnisvoll. Man könne die Entscheidung nicht verhindern, so lange die Gesetzeslage so sei. Und immerhin eröffne das Unternehmen, das verschiedene Bereiche aus Unterhaching und München in Pullach zusammenzieht, "dort einen echten Firmenstandort. Damit unterscheidet sich die Bayerische Hausbau zumindest von solchen Fällen, die nur einen Briefkasten, z.B. in Grünwald, unterhalten". Reiter hat sich schon früher zurückhaltend zu Reformüberlegungen bei der Gewerbesteuer geäußert, diese sei "ein unverzichtbares Element der gemeindlichen Finanzautonomie".

Die grüne Pullacher Bürgermeisterin sieht den Umzug positiv

Direkte Kritik an der Hausbau kam hingegen in einer überraschenden Allianz von der FDP und der Linken. "Ich bin da ganz klar: Ich verurteile das komplett", sagte Jörg Hoffmann, Fraktionsvorsitzender von FDP/Bayernpartei im Stadtrat über den Wegzug der Hausbau. "Es ist nicht in Ordnung, die Wertschöpfung aus Münchner Immobilienprojekten in Kommunen mit niedriger Gewerbesteuer zu überführen." Die Hausbau agiere allerdings "genauso wie 90 Prozent aller Bauträger vorher schon". Stefan Jagel, Fraktionschef von Die Linke/Die Partei, nennt das Vorgehen der Hausbau einen "dreisten Fall von Steuervermeidung auf Kosten der Stadt München und ihrer Bürgerinnen und Bürger. Das geht gar nicht."

In einer besonderen Position ist Susanna Tausendfreund, Erste Bürgermeisterin von Pullach und zugleich Grünen-Politikerin. Sie habe von dem bevorstehenden Zuzug der Bayerischen Hausbau bisher noch gar nichts gewusst. "Aber für unsere Gemeinde ist das natürlich positiv, wenn die Einnahmen aus der Gewerbesteuer steigen." So könne man etwa noch mehr in die Gewinnung klimafreundlicher Energie aus Geothermie-Anlagen investieren.

Aber Tausendfreund weiß natürlich, dass die Existenz von Gewerbesteueroasen wie Pullach der Programmatik ihrer Partei entgegensteht. Sie betont, der aktuelle Hebesatz von 260 sei schon 2005 unter ihrem Vor-Vorgänger festgelegt worden, "und ich gebe zu, dass das ein sehr niedriger Satz ist". Aber, fährt Tausendfreund fort, "es hilft auch nichts, wenn ich das für die Stadt München bedauerlich finde". Das aktuelle System der Gemeindefinanzierung führe "an vielen Stellen zu Ungerechtigkeiten, es muss grundlegend reformiert werden".

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