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Vertrag gekündigt:Welche Rechte Sparer haben

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Von Harald Freiberger, München

Von solchen Konditionen können Sparer heute nur noch träumen: drei, vier, fünf Prozent Zinsen im Jahr, dazu noch Prämien, die bis auf 50 Prozent ansteigen, und das ganze über 20 Jahre oder länger garantiert. Massenhaft haben Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken in den 1990er- und 2000er-Jahren ihren Kunden solche Verträge angeboten. Doch in Zeiten des Nullzinses wachsen sie ihnen nun über den Kopf. Deshalb versuchen sie an den Zinsen zu drehen oder die Verträge gleich ganz zu kündigen.

Oft gehen sie dabei rechtlich zweifelhaft vor. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg rechnete vor wenigen Wochen nach und stellte bei 31 Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken Fehler bei solchen Verträgen fest. "Sparer werden um einen erheblichen Teil ihrer Zinsen gebracht", sagt Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale. Meist geht es dabei um unwirksame Klauseln bei der Anpassung der Zinsen. Insgesamt fand die Verbraucherzentrale bei den 31 Kreditinstituten 43 Fälle, in denen die Zinsen falsch berechnet wurden. Die Geldhäuser zahlten ihren Kunden 90 000 Euro zu wenig. Das heißt: Jedem Kunden wurden im Durchschnitt 2100 Euro an Zinsen vorenthalten.

"Es gibt irrsinnig viele Varianten davon, teilweise auch mehrere bei einem Kreditinstitut", sagt Verbraucherschützer Nauhauser. Wenn er sich die Verträge im Einzelnen ansehe, frage er sich manchmal, "wer denn hier am Werk war". Es gebe, besonders bei den Klauseln zur Zinsanpassung, grobe juristische Fehler, "und zwar flächendeckend und bis heute". Juristisch sind bei den Sparverträgen zwei Grundfragen zu unterscheiden: Die eine ist, ob die Klauseln zur Anpassung der Zinsen wirksam sind, die andere, ob die Geldhäuser die Verträge kündigen dürfen - so wie es nun die Stadtsparkasse München tut. Solche Kündigungen sind schon seit Jahren üblich.

Den Anfang machte die Sparkasse Ulm, die von 1993 bis 2005 sogenannte Scala-Verträge angeboten hatte, mit sehr attraktiver Verzinsung, hohen Prämien und 25 Jahren Laufzeit. Als sich abzeichnete, dass die Zinslast für die Bank auf bis auf 300 Millionen Euro im Jahr steigen könnte, zog sie 2013 die Notbremse und kündigte rund 21 500 Verträge. Sie hatte vor Gericht aber keine Chance, da die Laufzeit festgeschrieben war.

Auch die Volksbank Raiffeisenbank Nürnberg wollte 2017 rund 500 hoch verzinste Sparverträge kündigen. Sie berief sich dabei auf Sonderbedingungen, die sie 2012 eingeführt hatte. Demnach sind Spareinlagen mit einer Frist von drei Monaten kündbar. Die Verbraucherschützer stellten sich auf den Standpunkt, dass ein solcher Passus auf die Verträge gar nicht anzuwenden sei. Daraufhin zog die Bank die Kündigungen zurück.

Nauhauser nennt drei Kriterien, nach denen Geldhäuser solche Verträge nicht kündigen dürfen: "Wenn im Vertrag eine Laufzeit festgeschrieben ist, muss diese immer eingehalten werden", sagt er. Manche Banken haben auch sehr lange Laufzeiten eingetragen, in einzelnen Fällen beträgt die Vertragsdauer sogar 99 Jahre. Solche Banken haben schlechte Karten, wenn sie kündigen wollen.

Das zweite Kriterium ist eine festgeschriebene Prämienstaffel. Steht im Vertrag zum Beispiel: "13. Jahr: 40 Prozent, 14. Jahr: 45 Prozent, 15. Jahr: 50 Prozent", muss die Bank diese Prämie bis zum Schluss auch leisten. Erst danach darf sie die Zahlung einstellen und den Vertrag kündigen. Es gibt aber auch hier Streitfälle, die nicht so eindeutig sind, zum Beispiel, wenn eine Bank "15. Jahr und Folgejahre" dazugeschrieben hat.

Das dritte Kriterium ist schließlich, wenn die Bank dem Kunden beim Vertragsabschluss Werbematerial ausgehändigt hat, in dem zum Beispiel steht, dass die Zinszahlung "auf 25 Jahre garantiert" ist. Kann der Kunde den Prospekt vorlegen und nachweisen, dass er Vertragsbestandteil des Beratungsgesprächs war, dann muss die Bank die 25 Jahre Vertragslaufzeit auch erfüllen.

Verbraucherschützer empfehlen Bankkunden, bei einer Kündigung erst einmal nicht einzuwilligen und prüfen zu lassen, ob die Voraussetzungen dafür wirklich erfüllt sind.

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Quelle:
SZ vom 26.09.2019
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