Süddeutsche Zeitung

Band der Woche:Sich einfach mal fallen lassen

Lesezeit: 2 min

Die vier Musiker von "Salbay" liefern auf ihrem neuen Album Klänge zur Entschleunigung. Alles was man dazu braucht: Einen Sessel - und Ingwertee.

Von Clara Löffler, München

Ein gemusterter Sessel steht auf einem Teppich. Daneben ein Plattenspieler, auf dem sich eine Nancy-Sinatra-Scheibe dreht. Das klingt wie eine Szene aus dem großelterlichen Fotoalbum, anno 1965. Nicht wie der Auszug aus einem Songtext im Jahr 2022. "Tom waits" ist die erste Single der vierköpfigen Band Salbay. Sie handelt von einem Protagonisten, der in besagtem Sessel sitzt, langsam eindöst und sich in einer Traumwelt wiederfindet. Plötzlich trinkt er nicht mehr den Ingwertee, der Ingwertee trinkt ihn.

Dieser Übergang vom Wachzustand zur Illusion erfolgt auch musikalisch. Was wie eine gemütliche Indie-Nummer beginnt, nimmt nach 60 Sekunden eine überraschende Wendung. Die Stimme klingt verzerrt, die Instrumente hallen im Hintergrund. Die elektronische Orgel weckt unweigerlich Assoziationen an einen Kirchenchor. Auch bei The Doors kam eine solche zum Einsatz. Psychedelic Rock heißt das Genre, das die US-amerikanische Rockband damit prägte. Salbay lässt es heute wieder aufleben.

Die Orgel (Baujahr 1968) war es auch, die die Musiker, die alle dieselbe Schule in München besuchten, 2017 zusammenbrachte. "Marius und ich hatten Bock, uns eine Orgel zu kaufen, dann haben wir aber beide festgestellt, dass wir nicht einmal Klavier spielen können", sagt Quirin Felix Ebnet. So stieß Keyboarder Lukas Oros Bergmann dazu, später Ruben Winter. Schon damals habe der Sportlehrer, als er sie spielen hörte, gedacht, das wäre Frank Zappa oder The Doors, erzählen sie heute lachend.

Dabei ziehen die vier Musiker nicht nur Inspiration aus den 1960er Jahren, sondern aus ziemlich jedem Jahrzehnt: Von Nick Cave über Red Hot Chilli Peppers bis hin zu All Them Witches. Doch verbindet sie alle eine gewisse Faszination für Altes. Marius Fleckenstein, der eine Schreinerausbildung macht, kann sich für traditionelles Handwerk begeistern, Quirin für alte Instrumente. "Früher war es viel schwieriger, Musik aufzunehmen und rauszubringen. Sich richtig Mühe geben für einen Song, das ist uns auch wichtig", sagt Lukas. "Trotzdem möchte ich nicht so leben wie damals", fügt Marius hinzu.

Auch musikalisch wollen sie sich zukünftig wegbewegen vom "Vintage-Rock". Das für den Winter geplante Album soll mehr oder weniger ein Schlussstrich sein. Für die Aufnahmen fuhr die Band zehn Tage aufs Land und richtete sich in einem Steinhaus ein provisorisches Studio ein. Ohne fließendes Wasser und mit Strom vom Generator. Eine Anleitung zum Hören der dabei entstandenen Songs, ein Plädoyer für mehr Entschleunigung, liefern sie mit "Tom waits" gleich mit: Erstens: sich in einen Sessel fallen lassen. Zweitens: Tee trinken. Und drittens: den Alltagsstress für einen Moment hinter sich lassen.

Salbay

  • Stil: Psychedelic-Rock
  • Besetzung: Quirin Felix Ebnet (Gesang, Bass), Lukas Oros Bergmann (Keyboard, Orgel), Marius Fleckenstein (Gitarre), Ruben Winter (Schlagzeug)
  • Aus: München
  • Seit: 2017
  • Instagram: instagram.com/salbay_

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5642973
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.