Süddeutsche Zeitung

Armutsbericht:Hilfen für mehr Menschen

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Fast jeder sechste Mensch in München ist arm. Die Stadt will die Armutsgrenze künftig jährlich prüfen - und das Angebot an Unterstützung ausbauen.

Von Sven Loerzer

Fast jeder sechste Mensch in München ist arm. Der Stadtrat verschließt vor diesem Ergebnis des neuen Armutsberichts aber nicht die Augen, sondern baut das Angebot an Hilfen aus. Auf Antrag der SPD/Volt-Fraktion im Rathaus beschlossen die zuständigen Fachausschüsse einstimmig, die Armutsrisikogrenze jährlich statt bisher alle fünf Jahre an die Inflation anzupassen. Wer ein Einkommen unterhalb des Schwellenwertes von derzeit 1540 Euro für eine alleinstehende Person hat, kann eine Reihe von Hilfen und Vergünstigungen erhalten. Die nächste Erhöhung soll zum 1. April 2023 erfolgen, kündigte SPD-Fraktionschefin Anne Hübner an.

Stärker in den Blick nehmen soll das Sozialreferat außerdem ältere Migranten, "sie tun sich schwer in München". Für sie müssten die Angebote besser zugänglich sein, meinte Hübner. Aber auch mit Blick auf alte Menschen, bei denen nach einer Erhebung des Sozialreferats etwa ein Viertel der Berechtigten keine Grundsicherung beantrage, sollen künftig die Sozialbürgerhäuser noch besser zugänglich werden. Dafür stellt der Stadtrat 250 000 Euro pro Jahr bereit.

"Wir müssen den Menschen die Schwellenängste nehmen, sich Hilfe zu holen", sagte Hübner. "Wir tun alles, was möglich ist, für den Sozialbereich." Ausgebaut wird auch die kostenlose Sozialberatung für Bedürftige beim Hilfsverein H-Team, mehr Unterstützung gibt es außerdem für das Kulturzentrum Gorod, das Interkulturelle Muslimische Forum für Frauen und Familien sowie für die Bahnhofsmission.

Das Bürgergeld wird laut Wohlfahrtsverband in München nicht reichen

"München hat eine gute Tradition der Armutsbekämpfung", lobte Karin Majewski, Geschäftsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Sie betonte, dass die Inflation bei den Lebensmitteln bei 20 Prozent liege, "das treibt die Armut voran". Auch wenn das Bürgergeld zum Jahresbeginn von 449 auf 502 Euro monatlich für Alleinstehende erhöht werde, leben die Menschen weiterhin in Armut. Nach den Berechnungen ihres Verbandes müssten es mindestens 700 Euro sein.

Weiterhin Briefe nach Berlin zu schicken mit entsprechenden Forderungen, halte sie zwar für richtig, bezweifelte aber, dass sie viel Wirkung zeigen. Es fehlten zum Beispiel die einmaligen Leistungen für Haushaltsgeräte, "die Menschen müssen sich den Kühlschrank vom Mund absparen". Majewski wünschte sich deshalb "noch mehr Engagement bei der Armutsbekämpfung und dem Bürokratieabbau".

Alexandra Gaßmann (CSU/Freie Wähler) befand, dass der Armutsbericht die Situation kinderreicher Familien ausführlicher darstellen sollte. Die Vorsitzende des Kreisjugendrings, Judith Greil, monierte, dass der Bericht sich zu wenig mit den Problemen von Kindern und Jugendlichen auseinandersetze. Sozialreferentin Dorothee Schiwy (SPD) kündigte an, dass über kinderreiche Familien im nächsten Jahr gesondert berichtet werde. Die Probleme der Kinder und Jugendlichen aus armen Familien sollen dann auch noch einmal im Kinder- und Jugendhilfeausschuss zur Sprache kommen. Trotz aller Schwierigkeiten "haben wir eine gute soziale Infrastruktur", sagte Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD). "Deutschland blickt auf München." Ihre große Sorge sei der Fachkräftemangel im Sozialbereich, viele wichtige Projekte suchten dringend Personal.

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