Süddeutsche Zeitung

Moschee-Eröffnung in Neufahrn:Minarett in Nachbars Garten

Lesezeit: 4 min

Eine Moschee hat die Ahmadiyya-Gemeinde in Neufahrn eigentlich schon lange. Nun ist ein Minarett dazugekommen - dadurch wird das Gebetshaus erst zu einer richtigen Moschee. Zur feierlichen Eröffnung hat sich hoher Besuch angekündigt.

Von Birgit Grundner

Der Endspurt erfordert noch einmal vollen Einsatz: Einige Helfer schneiden vor dem Haus Pflastersteine, andere malern im Gebäude, machen die Türstöcke fertig, stellen Regale auf. Wenige Tage vor der Eröffnung ist die Al-Mahdi Moschee eine große Baustelle. Aber Präsident Mirza Wasim, ein Bauingenieur aus München, ist optimistisch: "Es ist ja fast alles fertig", sagt er mit einem Lächeln, "wir müssen nur noch aufräumen."

Er strahlt gelassene Ruhe aus. Dabei erwartet seine Gemeinde am Pfingstmontag etwa 400 Gäste - und vor allem einen Mann, den alle als "Seine Heiligkeit" bezeichnen: Es ist Kalif Hadhrat Mirza Masroor Ahmad, das Weltoberhaupt der Ahmadiyya Muslim Jamaat mit ihren nach eigenen Angaben "mehreren zehn Millionen Anhängern" in mehr als 200 Ländern.

Für die Mitglieder ist der Kalif so etwas wie der Papst für die Katholiken, erklärt Abrar Ahmad und fügt hinzu: "Mindestens wie der Papst." Der junge Mann aus Unterschleißheim ist für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig und betont: "Es ist als ob ein Prinz kommen würde."

Öffentliche Gebetsrufe soll es nicht geben

Der Kalif reist aus London an. In Neufahrn wird er die Moschee eröffnen, die es als Gebetshaus in einem ganz normalen Wohngebäude schon seit Jahrzehnten gibt. Doch jetzt wurde sie aufwendig um- und ausgebaut - und vor allem ist etwas ganz Wesentliches hinzugekommen: ein neun Meter hohes Minarett. Es ist ein eher zierliches Türmchen, kaum höher als das Haus daneben, mit einer zwiebelförmigen Kuppel und grünen Glasscheiben.

Das Minarett hat vor allem symbolischen Charakter und soll die Aufmerksamkeit der Menschen auf den Islam lenken, wie die Bauherren erklären. Öffentliche Gebetsrufe werde es dort nicht geben. Trotzdem sei das Bauwerk mehr als nur Dekoration: Ein Minarett mache das Gebäude der Gemeinde eben erst zu einer "richtigen" Moschee.

Mag es auch in anderen Orten Vorbehalten gegenüber einem Minarett geben - die Neufahrner haben, wie es aussieht, kein Problem damit. Hört man sich im Ort ein wenig um, reichen die Reaktionen von "find ich gut", bis "eher interessant als störend". Die Ahmadiyya-Gemeinde bemüht sich seit Jahrzehnten um gute Kontakte und Integration. Regelmäßig finden "Tage der offenen Tür" statt - das nächste Mal am Sonntag, 22. Juni.

Externe Gäste sind aber auch sonst immer willkommen und werden zudem zu Dialogveranstaltungen eingeladen. Vor kurzem wurde eine Informationsausstellung im Rathaus gezeigt. Und am Neujahrstag beseitigen junge Leute im Ortszentrum immer die abgebrannten Raketen, Böller, Knaller und sonstigen Unrat. Solche Aktionen werden bei den Ahmadiyya-Muslimen als "Waqar-e-Amal" - also "Ehrenvolle Arbeit" - und als "ein Zeichen für bürgerschaftliches Engagement, Hilfsbereitschaft, Fleiß und für die Liebe zur Heimat" betrachtet.

Jetzt haben sie die Nachbarn auch persönlich zum Einweihungsfest eingeladen. "Die haben sich richtig gefreut", erzählt Abrar Ahmad und schmunzelt: "Eine Frau hat gesagt, schön, dass ihr nach Tausend und einer Nacht jetzt fertig seid." Kritische Stimmen? Abrar Ahmad und Mirza Wasim schütteln den Kopf. Freilich: Die Kontakte zu anderen muslimischen Gruppierungen im Ort sind zumindest auf offizieller Ebene nicht ganz einfach. Es gibt inhaltliche Differenzen.

Andere Muslime glauben, dass es nach Mohammed keinen Propheten mehr geben kann, erklärt Abrar Ahmad. Die Ahmadiyya-Muslime dagegen sage, dass es im 19. Jahrhundert erneut einen Messias gegeben hat, der in Indien ihre Gemeinde gegründet hat. Und sie schließen nicht aus, dass weitere Propheten kommen werden, die den Koran in manchen Punkten auch "aktualisiert auslegen" könnten, wie Abrar Ahmad sagt.

Ein wesentlicher Punkt ist für ihn die Glaubensfreiheit: "Beim Glauben gibt es keinen Zwang." Die Ahmadiyya Muslim Gemeinde wolle die "ursprünglichen, friedlichen und fortschrittlichen Lehren des Islam von den Verkrustungen und Irrungen in der heutigen Zeit befreien", heißt es in der Einladung zur Moschee-Eröffnung, die der Zentralrat der Muslime in Deutschland im Übrigen begrüßt: "Wir freuen über jedwede Religionsgemeinschaft, die Gotteshäuser baut, in der Gott gedacht wird", teilt der Verband in einem offiziellen Statement mit .

Viele Mitglieder sind Diskriminierungen ausgesetzt

In Pakistan wurde die als liberal geltende Bewegung in den Siebzigerjahren zur "nicht-islamischen Minderheit" erklärt. Viele Mitglieder sind dort Diskriminierungen ausgesetzt, auch von Verfolgungen ist die Rede. Unzählige sind ins Ausland gegangen. In Deutschland haben 35 000 Ahmadi-Muslime mittlerweile 36 Moscheen "mit Minarett und Kuppel", wie sie stolz mitteilen.

Ahmadi-Muslime haben als bisher einzige muslimische Religionsgemeinschaft die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts bekommen. Viel bedeutet es der Gruppe in Neufahrn auch, dass sie für Montag Zusagen von Gemeinderäten, Bürgermeistern, Landräten und sogar von Landtags- sowie Bundestagsabgeordneten bekommen haben.

An die 200 Frauen und Männer kommen bis aus Freising und München regelmäßig nach Neufahrn. Und von noch weiter sind sie angereist, um beim Um- und Ausbau zu helfen und dabei zu sein, wenn aus einem Gebetshaus eine "richtige" Moschee wird. Von außen ist sie nicht nur durch das Minarett als solche zu erkennen. Orientalische Ornamente zieren die Hausfassade, auch Schriftzeichen und ein großes Schild sollen noch angebracht werden.

Der Gebetsraum der Männer wurde neu gestaltet

Im Inneren ist nun deutlich mehr Platz, und speziell vom Anbau profitieren vor allem die Frauen, deren Treffpunkt bisher ein Raum unter dem Dach war. "Jetzt haben sie mehr Platz als wir", sagt Präsident Mirza Wasim schmunzelnd, "Da sieht man, dass sie bei uns mehr Rechte als wir haben." Der Gebetsraum der Männer ist ebenfalls neu gestaltet worden. Gästezimmer wurden eingerichtet, und wenn demnächst der neue Imam mit seiner Familie einzieht, dann wird er eine rundum erneuerte Wohnung bekommen. Im sechsstelligen Bereich bewegen sich die Kosten für das gesamte Projekt - trotz der vielen Eigenleistungen.

Überschattet wurden die Vorbereitungen für das große Fest von der Ankündigung der rechten Partei "Die Freiheit": Sie will die Moschee-Eröffnung zum Anlass für eine Demonstration nehmen. Der Neufahrner Bürgermeister Franz Heilmeier will "solchen Gruppierungen nicht das Feld überlassen" und "die Religionsfreiheit in unserem Ort nicht in Misskredit bringen lassen". Von der Idee einer Gegenkundgebung hat man im Rathaus und Pfarrbüros trotzdem wieder Abstand genommen. Man wolle die Demo mit einer solchen Aktion nicht noch aufwerten, heißt es.

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Quelle:
SZ vom 07.06.2014
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