Süddeutsche Zeitung

Altes Pfarrhaus in Moosach:Logieren wie der Papst

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Das alte Moosacher Pfarrhaus war Armenhaus, Gendarmerie-Station und später Domizil von Kaplan Joseph Ratzinger. Der spätere Pontifex hatte damals kein fließendes Wasser, nun sollen dort neue Wohnungen entstehen.

Von Anita Naujokat, Moosach

Die Zukunft des denkmalgeschützten Pfarrhauses, in dem 1951 auch kurzzeitig Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., als junger Kaplan wohnte, ist entschieden. Aus dem stark renovierungsbedürftigen Gebäude an der Pelkovenstraße 60 soll ein reines Wohnhaus werden. Laut Armin Ziegler (SPD), Vorsitzender des Unterausschusses Bau, Umwelt, Klima und Wirtschaft im Bezirksausschuss (BA) Moosach, soll das Gebäude weitgehend entkernt und in drei Wohnungen aufgeteilt werden. Äußerlich bleibe es nahezu unverändert. Im Erdgeschoss an der Westseite, wo eine Stele an Ratzingers Aufenthalt erinnert, soll ein kleines Apartment entstehen. Der restliche Teil werde über eine Treppe mit dem kompletten ersten Obergeschoss verbunden. Das Dachgeschoss werde ebenfalls für eine Wohnung ausgebaut, das Walmdach erneuert.

Auf der Südseite zum Moosacher Sankt-Martins-Platz hin werden im ersten Stock ein Balkon und am Dachgeschoss zwei Gauben angebaut. Die "halb tote Esche und tote Eiche" müssten gefällt werden. Im Gegenzug wollen die Stadtteilpolitiker Ersatzpflanzungen haben. "Wohnungen sind immer gut", kommentierte der BA-Vorsitzende Wolfgang Kuhn (SPD) die Pläne.

Die Erzdiözese München und Freising hatte, abgestimmt mit Pfarrer Martin Cambensy von Sankt Martin, das fast 760 Quadratmeter große Grundstück in Erbbaurecht ausgeschrieben, verbunden mit der Übernahme des Gebäudebestands. Man melde keinen Bedarf an dem ehemaligen Pfarrhof an, auch sei die Pfarrpfründestiftung aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage, das Bauwerk sanieren zu können, hatte es geheißen.

Der 1879/80 in spätklassizistischem Stil errichtete markante Bau in unmittelbarer Nachbarschaft zur historischen Sankt-Martins-Kirche - eine der ältesten, wenn nicht sogar die älteste noch bestehende Kirche in München - war zuerst ein Armenhaus der damaligen Gemeinde Moosach. Unten beherbergte es eine Gendarmerie-Station, in der ersten Etage waren Seelsorger untergebracht. Das zugehörige Waschhaus diente den Ordnungshütern als Gewahrsamszelle. 1909 dann gab die Gemeinde das Haus unentgeltlich an die Katholische Pfarrpfründestiftung Sankt Martin Moosach ab. Seit gut fünf Jahren nun steht das Einzeldenkmal im geschützten Ensembles im alten Moosacher Ortskern leer.

Den Zuschlag soll eine GbR, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, aus der Fasanerie erhalten haben. Das Mindestgebot waren bei der Ausschreibung 800 000 Euro gewesen, die Untergrenze des Erbbauzinses belief sich auf 12 800 Euro pro Jahr für das Grundstück, einen Kauf im Volleigentum hatte die Erzdiözese ausgeschlossen. Die Sanierung dürfte dem Vernehmen nach noch zusätzlich mehr als zwei Millionen Euro kosten.

Über den tatsächlichen Preis und den Erbbaurechtsnehmer bewahrt die Pressestelle der Erzdiözese auf SZ-Anfrage Stillschweigen. Sie informierte lediglich darüber, dass der Vertrag zur Vergabe des Hauses am 2. Juli beurkundet worden sei. Bei der anderen Partei handle es sich um Privatpersonen, deren Namen sowie die Erbbaurechtskonditionen aus Datenschutzgründen nicht genannt werden könnten.

Feststehen dürfte, dass es den künftigen Bewohnern nicht wie dem späteren Papst ergehen wird. Für den jungen Ratzinger war Moosach zwar ein "Traumdorf mitten in der Stadt", sein Domizil aber soll äußerst beengt gewesen sein, ohne fließendes Wasser, nur mit altem Waschgeschirr aus Emaille.

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Quelle:
SZ vom 04.10.2021
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