Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie "Vom Land in den Mund":Handwerker mit Laib und Seele

Lesezeit: 3 min

Anfangs wurde Fritz Schlund für seinen ökologischen "Firlefanz" belächelt, heute beschäftigt er in seinen Mühlenbäckereien 50 Angestellte. Bis zu 4000 Brote täglich verlassen die Backöfen - die meisten Sorten hat er selbst kreiert.

Von Christina Hertel, Aying

Schwarze Fingernägel, die Hände dreckig vom Öl. So kam Fritz Schlunds Bruder nach Hause, ein Mechaniker. Niemals wolle er so dreckige Hände haben, dachte sich Schlund, begann eine Lehre als Bäcker und machte damit den ersten Schritt zum Geschäftsmann. Vor fast 30 Jahren gründete er in einem Münchner Hinterhof die Fritz Mühlenbäckerei. Mittlerweile ist er der Chef von 50 Angestellten und verbringt die meisten Tage hinter dem Schreibtisch. Nur wenn Mitarbeiter krank oder im Urlaub sind, packt er noch mit an. So wie heute.

Schlund verzichtet auf Geschmacksverstärker und Konservierungsmittel

Schlund trägt weiße Bäckerkluft, ein Käppi auf dem Kopf. Auf einer Art Förderband kommen ihm Teigstücke entgegen. Er muss sie in Kürbiskernen wenden und dann auf die Seite legen. Wenn er trödelt und mit einem Teigstück zu langsam fertig wird, gibt es Stau. "Ich bin nicht mehr so flink wie früher", sagt Schlund. Er ist über 60, hat aber nur ein paar Lachfalten um die Augen. Seine Haut ist braun gebrannt, er sieht aus wie einer, der am Liebsten draußen ist. Tatsächlich liegt Schlund die Natur am Herzen.

Er wuchs auf einem Bauernhof in Baden-Württemberg auf. Schon seine Mutter buk Brot, allerdings nur für die Familie. Auch ihm machte das Hantieren mit Teig Spaß, doch das reichte ihm nicht. Nachdem er einige Zeit als Bäcker gearbeitet hatte, holte er das Abitur nach und ging nach Berlin, dort studierte er Lebensmitteltechnik. Ein Professor prägte ihn damals besonders. Er erzählte von Nachhaltigkeit und davon, dass man die Umwelt bewahren müsse. Und von da an wusste Schlund: er will keine Lebensmittel in einer Fabrik herstellen, kein Brot backen, das voll ist von Geschmacksverstärkern und Konservierungsmitteln. Er will es anders machen.

Die erste Fritz Mühlenbäckerei eröffnete in Haidhausen

Ein paar Jahre später eröffnete er seine erste Bäckerei in Haidhausen. Ein junger Vater war er damals, Geld hatte er praktisch keines. "Wie mir die Hände gezittert haben, als ich den Vertrag unterschrieben hab. Nie mehr war ich so aufgeregt." Dabei war, als die Mühlenbäckerei nach Aying umzog, viel mehr im Spiel. Die Bäckerei ist dort modern, hell und groß. Von einer Galerie aus können Kunden zuschauen, wie das Brot gebacken wird.

Seinen Prinzipien jedoch ist Schlund treu geblieben. Zum Beispiel kommt das Getreide schon immer aus der Region. Gemahlen wird es von zwei Mühlensteinen, die ebenfalls schon seit fast 30 Jahren im Einsatz sind. Zurzeit müssen sie wohl so viel arbeiten wie nie zu vor: 3000 bis 4000 Brote werden am Tag in der Mühlenbäckerei gebacken.

Schlund beliefert Reformhäuser und Bioläden im ganzen Münchner Umland. Auch Supermärkte wie Rewe und Edeka verkaufen seine Ware. Billig ist das Brot nicht, doch dafür betreibt Schlund viel Aufwand, das beste herzustellen. Sogar das Wasser dafür wird verfeinert. Bevor es in den Teig kommt, wird es durch Natursteine gepumpt. "Wasser beleben" nennt sich das Verfahren. "Es ist erwiesen, dass dadurch das Brot besser aufgehen kann", sagt Schlund.

Bio und Öko sind mittlerweile bürgerlich

Früher wurde er für solchen "Firlefanz" belächelt. Doch seit ein paar Jahren hat Öko nichts mehr mit Achselhaaren und Schlappenträgern zu tun. Und seitdem ist er erfolgreich. Genauso wie bio mittlerweile bürgerlich geworden ist, hat sich auch Schlunds Aussehen angepasst. "Ich sah echt wild aus. Lange Haare und Bart hab ich getragen", erzählt er. Mittlerweile ist alles ab. Doch sein Credo, so ökologisch unnachhaltig wie möglich zu produzieren, ist geblieben. Auf dem Dach der Bäckerei sind Solaranlagen angebracht, die Öfen werden mit Holzpellets geheizt, die Abwärme davon wird für die Warmwasserbereitung verwendet.

Alle 20 Brotsorten hat sich Schlund selbst ausgedacht. Am beliebtesten ist das Sportlerbrot, in dem als besondere Zutat Möhren stecken. Er erfand es vor 20 Jahren. "Wie ich angeschaut wurde. Ein Brot voller Möhren. Es war unglaublich", erzählt er. Seine Brotkreationen denkt sich Schlund beim Sport aus oder in der Natur. Einen Prototyp stellt er immer in das Mitarbeiterzimmer. Für ihn ein sicherer Trick, um zu prüfen, ob das Brot etwas taugt: "Wenn es da länger als ein paar Stunden steht, weiß ich, es kann nicht so toll sein."

Der Gründer hat einen Erben für seine Bäckerei gefunden

Schlund hat sein Leben bislang seiner Bäckerei gewidmet. Vor einigen Jahren war er einmal in Australien, aber alleine, ohne seine Frau. Einer muss sich ja ums Geschäft kümmern. Aber er sagt: "Ich will noch was sehen von der Welt." Damit dieser Traum in Erfüllung geht, hat sich Schlund einen Nachfolger gesucht und vor kurzem gefunden. Dirk Hausschild, 35 Jahre alt.

Schlunds Töchter wollten die Bäckerei nicht übernehmen, er aber wollte unbedingt, dass sie weiterlebt. Einmal dachte er schon, den passenden Erben gefunden zu haben, dann aber schickte er ihn wieder weg. "Der wollte bloß ein Investor sein." Bei Dirk Hausschild, da ist sich Schlund sicher, ist das anders. Seit ein paar Wochen arbeitet er schon in dem Betrieb mit. Bis jetzt läuft es gut.

Direkt aus der Backstube in Aying an der Münchener Straße 28 werden frische Produkte jeden Donnerstag von 15.30 bis 18.30 Uhr und jeden Samstag von 7 bis 11 Uhr verkauft. Der Laden an der Rablstraße 38 im Münchner Stadtviertel Haidhausen hat montags bis freitags von 7 bis 19 Uhr und samstags von 7.30 bis 13 Uhr geöffnet. Alle Produkte und Läden, in denen die Brote der Fritz Mühlenbäckerei sonst noch verkauft werden, sind auf www.fritz-muehlenbaeckerei.de ersichtlich.

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Quelle:
SZ vom 28.05.2016
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