Süddeutsche Zeitung

Unterhachinger macht in den USA sein Glück:Für ein Fünferl Ruhm

Lesezeit: 4 min

Der Künstler Felix Schlag wanderte vor 90 Jahren von Unterhaching in die USA aus und schaffte dort den Durchbruch mit der Gestaltung einer gängigen Münze. In seine alte Heimat kehrte er nur einmal kurz zurück.

Von Patrik Stäbler, Unterhaching

Es ist ein weißes Häuschen mit kleinen Fenstern und Rundbogentür, unscheinbar in jeglicher Hinsicht - zumal keine Tafel und kein Schild darauf hinweisen, dass hier am Pittinger Platz jahrelang einer der berühmtesten Menschen wohnte, die je in Unterhaching gelebt haben.

Wobei sich diese Berühmtheit vornehmlich auf die USA bezieht, weshalb es dann doch nicht arg verwunderlich ist, dass um diesen Felix Schlag in seiner früheren Heimat kein großes Aufheben gemacht wird, wie Werner Reindl findet.

Der langjährige Vorsitzende des örtlichen Gartenbauvereins ist passionierter Hobbyhistoriker, hat ein Buch über die Siedler in Unterhaching geschrieben und ist dabei auf die Geschichte von Felix Schlag gestoßen. Der in Deutschland weitgehend unbekannte Künstler hat etwas geschaffen, das nahezu jeder Amerikaner täglich in den Händen hält: Der ehemalige Unterhachinger entwarf das Motiv für die Fünf-Cent-Münze, den sogenannten Jefferson Nickel.

Am 1. Februar 1929 - also an diesem Freitag vor 90 Jahren - gingen Felix Schlag und seine Ehefrau Anna in Hamburg an Bord der Deutschland. Ihr Ziel war Amerika, wo der Dampfer zehn Tage später im Hafen von New York anlegte. Der damals 37-jährige Felix Schlag hoffte auf eine bessere Zukunft in Amerika und wollte vor allem seine jüngere Vergangenheit hinter sich lassen, die alles andere als erfreulich war. In Frankfurt geboren, zog er 1912 nach München für ein Studium an der Akademie der Bildenden Künste. Doch dann brach der Erste Weltkrieg aus, und das Vaterland rief: Schlag musste als Soldat an die Front nach Frankreich, wurde an der Schulter verletzt und lag danach lange im Krankenhaus. Zurück in München erfuhr er vom Bau einer Kriegersiedlung in Unterhaching unter Federführung des Sanitätsrats Otto Pittinger. Schlag bewarb sich für eines der Eigenheime, die ausschließlich an Kriegsversehrte vergeben wurden, und zog 1921 mit seiner Frau und dem ersten von später drei Kindern in den Münchner Vorort - in jenes Reihenhaus am Pittinger Platz.

Er war eher eine "Künstlernatur"

Allzu glücklich wurde er dort aber nicht: Als Bildhauer erhielt er kaum Aufträge; für den Lebensunterhalt der Familie sorgte vor allem ein Milchgeschäft, das seine Frau im Eingangsbereich des Hauses betrieb. "Sie hat sich um den Haushalt und den Laden gekümmert, er war eher eine Künstlernatur", sagt Reindl, der sich für sein Buch mit einer Tochter und einem Enkel der Schlags unterhalten hat. Einen Künstlerfreund fand der Bildhauer in dem Unterhachinger Holzschnitzer Leonard Uhl, der unter anderem die Weihnachtskrippe von St. Korbinian gefertigt hat. Mit ihm tauschte sich Schlag regelmäßig aus, und dennoch wurde er nie wirklich glücklich in Unterhaching. "Felix Schlag befand sich in einer verzweifelten Lebenssituation", schreibt Reindl. "Seine Talente lagen brach, keine Aufträge in Sicht, und die Familie lebte von den spärlichen Einnahmen des Milchladens."

Und so suchte Felix Schlag nach acht Jahren in Unterhaching sein Glück in den USA, wo er anfangs - mitten in der Weltwirtschaftskrise - ebenso zu kämpfen hatte. Drei Monate nach der Ankunft in New York kehrte Anna Schlag zu den Kindern nach München zurück, die solange bei der Großmutter untergekommen waren; mit ihnen sollte sie später wieder in die USA reisen - so der Plan. Doch daraus wurde nichts, denn Felix Schlag tauchte in Amerika unter und reagierte nicht mehr auf die Briefe seiner Frau. Erst viele Jahre später - inzwischen abermals verheiratet und US-Staatsbürger - habe er an Feiertagen 50-Dollar-Scheine und Lebensmittelpakete an Frau und Kinder geschickt, sagt Reindl. Und 1969, fünf Jahre vor seinem Tod, habe er noch ein einziges Mal seine alte Heimat am Pittinger Platz besucht. "Er wollte dort aber nicht lange bleiben, nicht essen gehen und mit niemandem reden", so Reindl. "Wahrscheinlich ging es ihm darum, noch mal die Stationen seines Lebens zu sehen."

Zu jener Zeit war Felix Schlag in den USA schon ein bekannter Mann. Dabei hatte er sich in seiner Anfangszeit in den USA noch als Hilfsarbeiter durchgeschlagen; erst nach einigen Jahren etablierte er sich als Künstler - schaffte also das, wovon er in Deutschland geträumt hatte. Unter anderem arbeitete er als Autodesigner für General Motors, gewann Kunstpreise, entwarf öffentliche Gebäude und Brunnen. Seinen größten Erfolg hatte Felix Schlag 1938, als er überraschend und gegen die besten Bildhauer des Landes den Wettbewerb für die Gestaltung einer neuen Fünf-Cent-Münze gewann.

Erst 2005 wurde das Jefferson-Porträt ersetzt

Sie sollte den früheren US-Präsidenten Thomas Jefferson auf der einen Seite und auf der anderen dessen Landsitz Monticello zeigen. Schlags Siegerentwürfe zierten jahrzehntelang alle Fünf-Cent-Stücke in den USA; erst 2005 wurde das Jefferson-Porträt ersetzt, während sein Monticello-Bild bis heute verwendet wird. Im Jahr 1966 wurde Felix Schlag noch eine besondere Ehre zuteil, als man beschloss, seine Initialen künftig mit auf die Münzen zu prägen.

Zwei solche Nickels mit dem Kürzel FS sowie eine kurze Abhandlung über das Leben des Felix Schlag sind seit einigen Jahren im Unterhachinger Heimatmuseum ausgestellt - auf Initiative von Werner Reindl. Ob sein einstiger Wohnort des berühmten Bildhauers darüber hinaus gedenken sollte, etwa mit einer Tafel an dessen früheren Haus? Fragt man Reindl, wiegt er unentschlossen den Kopf.

"Wenn wir in München wären und Tausende Straßennamen zu vergeben hätten, könnte man eine davon nach ihm benennen. Aber hier in Unterhaching ...", sagt Reindl, ohne den Satz zu beenden. Schließlich dürfe man nicht vergessen, fügt er dann noch an, dass sich Felix Schlag 1929 nicht nur von seiner Familie lossagte, sondern auch seine Heimat weit hinter sich ließ - im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Für ihn sollte es wohl ein Abschied auf Nimmerwiedersehen sein, als er vor 90 Jahren in Hamburg mit der Deutschland in See stach.

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SZ vom 01.02.2019
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