Süddeutsche Zeitung

Infrastruktur:Die allerschlechteste Straße wird notdürftig geflickt

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Das Loch im Unterhachinger Haushalt ist so groß, dass für eine umfassende Sanierung und die eigentlich vorgesehenen Anpassung an den Klimawandel kein Geld mehr da ist.

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Im Unterhachinger Ortsgebiet gibt es einige Straßen, auf denen Auto- und Fahrradfahrer unsanft durchgeschüttelt werden, weil ein Schlagloch das nächste fast nahtlos ablöst. Und das hat nicht immer damit zu tun, dass die Asphaltdecke ständig aufgerissen werden muss, um Geothermieanschlüsse zu verlegen. Viele Straßen sind schlichtweg in die Jahre gekommen und sollten dringend saniert werden. Doch das kostet viel Geld, das die Gemeinde derzeit nicht hat. Wegen einer Gewerbesteuerrückzahlung in Höhe von zwölf Millionen Euro gilt aktuell eine Haushaltssperre, andererseits zählt die Straßensanierung zur Pflichtaufgabe einer Gemeinde. Ein Dilemma, das den Gemeinderäten Kopfzerbrechen bereitet.

Nun geht es etwa bei der Lohestraße, der Verbindung zwischen Karl-Mathes- und Sommerstraße, nicht nur darum, die 52 Jahre alte Fahrbahn zu erneuern. Vielmehr sollen eigentlich konkrete Vorgaben zur Klimaresilienz und zum Klimaschutz erfüllt werden. Doch das kann man sich eigentlich in der aktuellen finanziellen Situation erst recht nicht leisten. Der Straßenabschnitt müsste durch mehr Versickerungsflächen und Grüninseln so umgebaut werden, dass er auch in 50 Jahren noch optimal wäre. "Dann werden wir hier ein Klima wie in Mailand haben", machte Bauamtsleiter Stefan Lauszat dem Gemeinderat in seiner Sitzung am Mittwochabend klar. Etwa 450 000 Euro würde diese Variante von Sanierung und Umbau kosten. Der Bauausschuss hatte sich in der Woche zuvor noch knapp dazu durchgerungen, der Finanzausschuss mit ebenso hauchdünner Mehrheit die Pläne abgelehnt. Der Gemeinderat schloss nun den Kompromiss, im kommenden Jahr die Straße notdürftig für 20 000 Euro zu reparieren und sich erst für das Jahr 2024 die Sanierung vorzunehmen.

Weil man die Anwohner nicht zur Kasse bitten wollte, ist jahrelang gar nichts passiert

Dass die Lohestraße bei weitem nicht die einzige Straße in Unterhaching ist, die dringend hergerichtet oder gar von Grund auf saniert werden müsste, liegt auch daran, dass sich bis zur Abschaffung der Straßenausbaubeitragssatzung vor bald fünf Jahren die Gemeinde davor gescheut hatte, Straßen in Wohngebieten zu reparieren, weil man damals die Anwohner für die Bauarbeiten zur Kasse bitten musste. "Deshalb haben wir die Straßensanierung gemieden wie der Teufel das Weihwasser", begründete Bürgermeister Wolfgang Panzer (SPD) den nun angelaufenen Sanierungsstau. Zu gut erinnert sich der Rathauschef noch an die Proteste von Anwohnern, wenn die Gemeinde eine Sanierung dann doch mal anging, weil sie sie für unumgänglich hielt.

Seit 2018 muss den Straßenausbau nun die Gemeinde komplett selbst zahlen. 240 Straßen und Wege gibt es in der Gemeinde, und wenn alle 50 Jahre lang halten, müssten jedes Jahr sechs Straßen repariert werden. Laut Lauszat gibt es einen Topf mit den zehn schlechtesten, dann werde geschaut, welche dieser Straßen die allerschlechteste sei, die werde dann saniert. Die Lohestraße landete auch deshalb oben auf dieser Hitliste, weil sie im Zuge des Umbaus des dortigen Spielplatzes und der Wertstoffsammelstelle zusätzlich in Mitleidenschaft gezogen wurde. Optimal ist diese Vorgehensweise nicht, das gibt auch der Bauamtsleiter zu. "Wir fahren auf Verschleiß, das ist die schlichte Wahrheit." Die CSU nennt das "Flickschusterei", den großen "Masterplan", den die FDP schon lange fordert, gibt es nicht.

Dafür aber hat man im Rathaus den Willen des Gemeinderats, klimaneutral zu werden, verinnerlicht. Es gehe auch um die Frage: "Was können Straßen dabei leisten?", sagte Lauszat. Zum einen werde der eine oder andere Baum gepflanzt, aber durch den Umbau mit breiteren Gehwegen sollen die Leute auch dazu gebracht werden, wieder mehr zu Fuß zu gehen oder mit dem Rad zu fahren. Vermutlich werden nicht alle Anwohner davon begeistert sein, da dadurch auch Stellplätze wegfallen. Die Gemeinde plant eine Bürgerbeteiligung, macht aber auch klar: "Übergeordnete gemeindliche Ziele wie die Klimaneutralität sollen insbesondere deshalb, weil die Maßnahmen nicht durch Anliegerbeiträge, sondern aus allgemeinen Steuermitteln finanziert werden, höher gewichtet werden."

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