Süddeutsche Zeitung

Unterhaching:Chinesisch und andere Modeerscheinungen

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Die Volkshochschule feiert ihr 50-jähriges Bestehen. Seit der Gründung hat sich das Angebot stark gewandelt und die Zahl der Kursteilnehmer mehr als verzwanzigfacht.

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Gitta Kantelhardt war ein wenig nervös am ersten Tag als Dozentin an der Volkshochschule Unterhaching. Einen Englischkurs am Vormittag wollte sie anbieten. Doch dann die böse Überraschung: Es war nur eine Teilnehmerin da. War der Bedarf an Fremdsprachen doch so gering? Die Sache klärte sich schnell auf, die übrigen Teilnehmer - immerhin 20 - waren nur falsch über Ort und Zeit informiert worden. 44 Jahre ist das nun her. So lange schon unterrichtet Kantelhardt schon an der VHS Unterhaching, "English Conversation" kann man aktuell bei ihr belegen. An diesem Donnerstag wird sie im Kreise weiterer langjähriger Dozenten geehrt, denn die Einrichtung feiert ihren 50. Geburtstag im Kultur- und Bildungszentrum (Kubiz), das zugleich heuer 30 Jahre alt wird.

Die Fremdsprachen gehören heutzutage noch immer neben den Gesundheitskursen zu den am besten nachgefragten Angeboten der VHS. Doch haben die sich verändert und wurden längst an die veränderten Bedürfnisse ihre Kursteilnehmer angepasst. "Französisch für Anfänger" an 15 Abenden war im ersten Programmheft von 1970 - ein Faltblatt - als einziger Sprachkurs aufgeführt. Dann konnte man zum Beispiel noch "Rechtsfragen des Alltags" buchen, "Steno für Anfänger" und "Schneidern für den Hausgebrauch". Neun Angebote machte die kurz zuvor von zwölf engagierten Unterhachinger Bürgern gegründete VHS damals. Heute ist der Veranstaltungskatalog, den Unterhaching gemeinsam mit den drei anderen Volkshochschulen im Hachinger Tal herausbringt, 264 Seiten stark.

Kurse zur Digitalisierung sind stark nachgefragt

Hier findet sich Russisch, Griechisch und Italienisch genauso wie Pilates, Yoga und Aqua Fitness. Man kann an Studienreisen teilnehmen oder über Philosophie diskutieren, sich mit Ölmalerei beschäftigen, einen Koch- oder einen Computerkurs buchen, Konzerte und Ausstellungen besuchen. 350 Dozenten beschäftigt die VHS Unterhaching inzwischen. Mit zehn hat sie begonnen. Die Teilnehmerzahlen sind in 50 Jahren von 453 auf 10 000 gestiegen.

"Sehr gut besucht sind auch die Kurse, die mit Digitalisierung zu tun haben", sagt Barbara Sporrer, die die VHS Unterhaching seit 2001 leitet. Die erste große Welle in dem Bereich habe es mit dem Zugang zum Internet um das Jahr 2000 herum gegeben, aber durch die permanente Veränderung in diesem Bereich sei der Bedarf insbesondere bei den Älteren weiterhin groß. Aber auch Berufstätige kämen mit dem Anliegen, sich schnell in einem Thema fortzubilden. "Vh-espresso" nennt sich dieses Angebot, bei dem man sich in Kleinstgruppen von ein bis drei Teilnehmern an einem Abend ein Grundwissen aneignet.

Das Klientel hat sich verändert

Das Klientel habe sich verändert, sagt Sporrer, die Leute hätten nicht mehr so viel Zeit, etwa über viele Jahre regelmäßig eine Fremdsprache zu lernen. Mit den hohen Bildungsabschlüssen hätten die meisten etwa Englisch "ganz anders in der Tasche" als früher, als noch die Mütter im Vormittagskurs die Basics lernten, um ihre Kinder in der Schule zu unterstützen. Heute gehe es oft darum, sein Urlaubsgriechisch zu verbessern oder sich an drei Wochenenden sprachlich auf eine Italien-Reise vorzubereiten. "Aber auch Chinesisch steht hoch im Kurs", sagt Sporrer, "das sind immer auch Modeerscheinungen."

Fester Bestandteil des Programms ist seit vielen Jahren auch das gut angenommene "Studium generale". Viele Älteren seien in den drei Kursen vertreten, "aber Allgemeinbildung ist nicht nur etwas für Senioren", so Sporrer. Der Anregungen, die von den Teilnehmern kämen, seien für sie "ein Seismograf, um zu wissen, was die Gesellschaft bewegt". Im Moment stünden Klimathemen im Fokus.

Eine weitere starke Säule der Unterhachinger Volkshochschule sind seit vielen Jahren die Deutsch- und Integrationskurse. "Integration ist uns einfach ein Anliegen", sagt Sporrer, auch aus den umliegenden internationalen Firmen besuchten viele Mitarbeiter ihre Kurse. "In der VHS kann man die Integration mit der Kultur verschränken."

Anspruchsdenken ist gestiegen

Als Konkurrent werde die VHS allerdings durch die vielen Gesundheits- und Gymnastikkurse oft von Sportvereinen gesehen. "Manchmal ist der TSV immer noch gekränkt, aber wir haben ein unterschiedliches Publikum", meint Sporrer. Tatsächlich im Wettbewerb sieht sie sich mit den Fitnessstudios, vor allem auch was die Suche nach Dozenten angeht. Denn die VHS muss den bestausgebildeten Kursleiter zum sozial verträglichen Preis anbieten können. Sporrer weiß: "Das Anspruchsdenken der Teilnehmer ist stark gestiegen."

Die Jubiläumsveranstaltung am Donnerstag, 21. November, im Kubiz beginnt um 18 Uhr mit Vorträgen, Workshops und Diskussionen über die Digitalisierung. Um 20.15 Uhr folgt der Festakt mit Ehrungen und Musik von Keglmeier und Öllinger.

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Quelle:
SZ vom 20.11.2019
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