Süddeutsche Zeitung

Chemieunternehmen:Angst vor dem großen Knall

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Nach der Katastrophe in Beirut wächst in Pullach das Unbehagen über die Lagerung gefährlicher Stoffe bei United Initiators in Höllriegelskreuth. Die Firma stoppt deshalb vorerst ihre Ausbaupläne.

Von Michael Morosow, Pullach

Zuerst war es eine kleine Haselmaus-Population auf dem Firmengelände, deretwegen die Ausbaupläne des Pullacher Chemieunternehmens United Initiators in die Warteschleife gehängt wurden. Nach der verheerenden Explosion am 4. August im Hafen von Beirut mit 190 Todesopfern und 6500 Verletzten steht das Unternehmen vor ungleich größeren Problemen.

Die Ängste in der Bevölkerung, vor allem der Anlieger vor einem ähnlichen Unglück in ihrer direkten Nachbarschaft haben durch die Katastrophe im Libanon neue Nahrung erhalten und allerlei Gerüchte über die Gefahrenlage sind befeuert worden. "Nach Beirut wird man äußerst nervös", sagte Renate Grasse von den Grünen.

Das Unternehmen hat nun Konsequenzen aus der sich zuspitzenden Situation gezogen: Werkleiter Kai Eckloff sagte am Dienstag im Gemeinderat, United Initiators werde alle Bauvorbereitungen auf seinem Gelände stoppen, auch die Rodung eines etwa 14 Hektar großen Waldstücks, für die man keine Genehmigung bräuchte. Stattdessen wolle man als nächsten Schritt in öffentlichen Veranstaltungen die Bevölkerung über die Vorhaben detailliert informieren.

Wenn noch so viele Fragen in der Bevölkerung offen seien, dann habe man in der Kommunikation was versäumt, sagte Eckloff ohne Umschweife. Auch Bauamtsleiter Jürgen Weiß räumte ein, dass die Gemeinde die Öffentlichkeit möglicherweise nicht früh genug eingebunden hat. Wann die Infoveranstaltungen stattfinden werden, steht noch nicht fest.

Sicher ist dagegen, dass auch die Bewohner der angrenzenden Gemeinden Baierbrunn und Grünwald eingeladen werden. Der Gemeinderat fasste einstimmig den Beschluss zur Einleitung eines Bebauungsplanverfahrens, allerdings ausdrücklich mit dem Zusatz, dass dieses ergebnisoffen sei.

Gerüchte über Giftgasanlagen

Wie sehr die Ausbaupläne des Chemieunternehmens die Pullacher beschäftigt, zeigte sich nach der Abstimmung, als nur noch vier von 32 Besuchern sitzen blieben. Der Rest war nur wegen dieses Tagesordnungspunktes gekommen. Die Anwohner befürchten, dass mit dem Ausbau der Lager- und Verpackungsstätten und der Konzentration des weltweit produzierten Gefahrenguts eine höhere Brand- und Explosionsgefahr entstehe und ätzende oder giftige Stoffe austreten könnten.

Bauamtsleiter Weiß berichtete, dass manche sogar behaupteten, auf dem Gelände stünden Giftgasanlagen. Es habe zwar bereits schwere Zwischenfälle gegeben, aber von einer tickenden Zeitbombe könne keine Rede sein, sagte Weiß.

Laut Werkleiter Eckloff hat es in Achtziger- und Neunzigerjahren und 2002 Zwischenfälle gegeben, den schwersten 1993 , als im Zuge von Laborversuchen zwei Mitarbeiter gestorben seien. Daraufhin habe man einen dreistelligen Millionenbetrag in die Sicherheit investiert.

Von einer Gefahrensituation wie in Beirut sei man in Pullach weit entfernt. Wie weit, stellte Gemeinderat Peter Bekk (Grüne) klar, der an einer Hochschule zu technischen Risiken lehrt: In Beirut seien 2750 Tonnen Ammoniumnitrat explodiert, Organische Peroxide aber, die in Pullach hergestellt und gelagert werden, könnten zwar brennen, nicht aber explodieren.

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Quelle:
SZ vom 17.09.2020
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