Süddeutsche Zeitung

Sportstätte:Training auf der Baustelle

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Eigentlich sollte die Sanierung keine große Sache sein, doch dann taten sich immer neue Mängel auf im Vereinsheim des TSV Gräfelfing. Jetzt läuft der Sportbetrieb auf dem Gelände wieder - dabei sind die Arbeiten längst nicht abgeschlossen.

Von Annette Jäger, Gräfelfing

Für den TSV Gräfelfing beginnt eine neue Ära: Nach rund dreieinhalb Jahren Sanierungsphase hat der Verein eine moderne Sportstätte, die die Patina der Achtzigerjahre hinter sich gelassen hat. Dass die baulichen Eingriffe bis ins Mark des Vereinsheims vordrangen, war eigentlich gar nicht geplant. Ursprünglich ging es primär um einen besseren Brandschutz und neue Umkleidekabinen, beim symbolischen ersten Spatenstich Anfang 2021 ging man davon aus, dass rund sieben Millionen Euro dafür genügen. Doch die Sanierung artete in eine Großbaustelle aus, am Ende sind nur noch Wände und Dach der Sportstätte erhalten geblieben, der Rest wurde rundum erneuert. Die Rechnung beläuft sich jetzt auf fast 14 Millionen Euro.

Die Sanierung war ein Kraftakt und ein Überraschungspaket. Hans Schumacher kann ein Lied davon singen. Er ist der technische Leiter der Baustelle - im Ehrenamt. In den vergangenen drei Jahren hat sich dieses Amt jedoch zu einer Vollzeitbeschäftigung ungeahnter Komplexität ausgewachsen, für die auf anderen Baustellen ein Profi-Bauleiter eingestellt wird.

Als am Wochenende der Sportbetrieb wieder aufgenommen wurde, versprühte das Vereinsheim immer noch Baustellencharme. Die Eröffnung kann nur schrittweise erfolgen, in drei Wochen soll die Gaststätte fertig sein, der Rest folge nach und nach bis zum Sommer, verspricht Schumacher. Vergangene Woche stand er im Foyer des Vereinsheims, wartete auf den Sattelschlepper mit Möbeln, die irgendwo zwischengelagert werden müssen, und war Ansprechpartner für Handwerkerfragen aller Art. Und die Gaststättenbetreiber, die Brüder Gegaj, wollten gerne einen Bodenbelag mit ihm auswählen.

Dass sich die Baustelle so lange hinzieht, ist nicht nur der Corona-Pandemie geschuldet, sondern auch der Tatsache, dass in den Achtzigerjahren "kreativ geplant" wurde, wie es TSV-Präsident und Landrat Christoph Göbel ausdrückt. In den alten Bauplänen ist vieles nicht verzeichnet gewesen und so sind manche Mängel erst sichtbar geworden, als Wände und Decken geöffnet wurden, etwa Brandschutzklappen aus Asbest, die dann zusätzlich saniert werden mussten. Am Ende musste eine neue Heizzentrale eingebaut werden, eine neue Lüftung und neue Elektrotechnik - alles unsichtbare Extras, die die Kosten in die Höhe trieben.

Sichtbar ist jetzt ein neuer Zwischentrakt, der die alte Turnhalle mit dem Vereinsheim verbindet, der Platz für geräumige Umkleiden und Sanitärräume für die Fußballer sowie die Tischtennis- und Turnabteilung bietet. Es gibt moderne Verwaltungsräume und einen Konferenzraum, den auch Externe buchen können. Zusätzlich wurde das Foyer des Vereinsheims völlig umgestaltet und mit einem Aufzug versehen, es gibt einen verglasten Aufenthaltsraum und die Vereinsgaststätte wurde vergrößert. Draußen, am Rande der Sportplätze, ist ein holzverkleideter Kubus entstanden: Über diesen Außenzugang erreichen die Fußballer die Umkleidekabinen, ohne den Sportplatzdreck an den Stollenschuhen durch das Foyer zu tragen.

"Das ist jetzt eine bedarfsgerechte Anlage für einen stark gewachsenen Verein", sagt Göbel. Als die Sportstätte gebaut wurde, zählte der TSV Gräfelfing rund 800 Mitglieder, jetzt sind es fast 3500. Dass die Sanierung so ausgeufert ist, mag auch daran liegen, dass viele Jahre nur das Nötigste gemacht worden ist. Denn lange Zeit stand im Raum, eine neue Sportstätte auf einem Autobahntunnel zu bauen und sie mit dem Schulcampus zu verbinden. Diese Variante ist verworfen worden, die Anlage in der Hubert-Reißner-Straße ist jetzt erst mal für die nächsten 20 Jahre fit für den Vereinssport. Die Gemeinde hat den weitaus größten Anteil der Sanierung bezahlt, zusätzlich gibt es staatliche Zuschüsse und auch der TSV muss Geld auf den Tisch legen. Dafür hat er die Mitgliedsbeiträge erhöht: 192 Euro im Jahr kostet die Mitgliedschaft, eine vierköpfige Familie bezahlt 432 Euro, der ermäßigte Beiträge liegt bei 120 Euro.

Wenn der letzte Baustaub weggeputzt ist, muss manchen Abteilungen des Vereins erst wieder Leben eingehaucht werden. Zwar konnten die Fußballer, Tischtennisspieler und die Turner während der Bauphase weiter trainieren, oft provisorisch mit Containern als Umkleideräume, doch die Schützen mussten ihren Sport komplett einstellen. Die Mannschaft sei geschrumpft, der Nachwuchs fehle, sagt Schumacher. Hier ist erst mal Aufbauarbeit zu leisten. Ein sozialer Treffpunkt soll die Sportgaststätte werden, die um eine kleine Bühne erweitert wird, für Musik-, Theater- oder Kabarett-Auftritte. Hans Schumacher selbst will das Kulturprogramm betreiben, aber erst, wenn auch er endlich den Baustaub von den Schultern schütteln kann.

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