Lokalhistorie:Wirtshausgeschichten ohne Happy End
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Heimatpfleger Michael Müller hat recherchiert, dass es um die Jahrhundertwende in Taufkirchen sieben traditionelle Gaststätten gab. Heute ist davon nur noch eine übrig.
Von Patrik Stäbler, Taufkirchen
Das schillerndste unter den einst so zahlreichen Wirtshäusern in Taufkirchen ist sicher der Jagdhof gewesen. 1935 von einem Metzger aus Giesing im Deisenhofener Forst erbaut, entwickelte sich der Waldgasthof mit seinem großzügigen Biergarten nach dem Krieg zu einem beliebten Ausflugsziel. Auch die Münchner Schickimicki-Gesellschaft entdeckte das idyllisch gelegene Lokal für sich, und sogar Franz Josef Strauß lud für Polit-Partys in den Wald nach Taufkirchen. In den Achtzigerjahren begann dann jedoch der Niedergang des Jagdhofs. Nachdem das Gebäude zwischenzeitlich als Asylbewerberheim genutzt worden war, kaufte es die Gemeinde 1998, um dort wieder ein Ausflugslokal einzurichten. Diese Pläne zerschlugen sich aber nicht zuletzt wegen der Lage im Wasserschutzgebiet, und nach jahrelanger Debatte wurde das Gasthaus 2010 abgerissen.
Mit seiner wechselhaften Geschichte ohne Happy End steht der Jagdhof stellvertretend für etliche Wirtshäuser, die das Leben in Taufkirchen fast ein Jahrhundert lang geprägt haben - und von denen es heute kaum noch Spuren gibt. Diese sichtbar zu machen, hat sich Heimatpfleger Michael Müller zur Aufgabe gemacht. Er hat zur Historie der Wirtshäuser im Ort geforscht und präsentiert seine Ergebnisse nun bei einem Vortrag der Volkshochschule. "Gerade die Wirtschaften in den Ortschaften waren für das gesellschaftliche Leben extrem wichtig", sagt der Heimatpfleger. Dort habe sich das Vereinsleben abgespielt, dort sei Politik gemacht worden, und dort habe sich die größtenteils bäuerliche Bevölkerung abends getroffen - "zum Feierabendbier".
Gewissermaßen als Startschuss für die Wirtshauskultur in Taufkirchen und anderswo fungierte die nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 eingeführte Gewerbefreiheit. Sie habe zu einer Gründerwelle geführt, sagt Müller. Oder wie es der Zeitzeuge August Koch in seinen Erinnerungen leicht ironisch formuliert habe: "Um den 'weiten Weg' nach Taufkirchen zu ersparen, beeilten sich alle zur Gemeinde gehörigen Ortschaften, eine eigene Wirtschaft zu erlangen." So wurde etwa 1874 in Bergham das Gasthaus zum Bock errichtet, das von 1917 an Gasthaus von Anton Filser hieß. Und in Potzham erbaute Sebastian Kottmüller, der Müller Wastl von Unterhaching, zwei Jahre später die Adam'sche Gastwirtschaft. Um die Jahrhundertwende gab es in Taufkirchen sieben Wirtshäuser - darunter auch die Sandmaiersche Bierwirtschaft in Westerham.
Sie befand sich in einer früheren Schusterwerkstatt an der Münchner Straße, die Leonhard Sandmaier 1879 erwarb. Wenig später kaufte er überdies die Mühle vom Zaunmüller, wobei er vor allem am damit verbundenen Realrecht zum Bierausschank interessiert war, wie Michael Müller erzählt. "Dadurch konnte er eine Wirtschaft eröffnen." Diese entwickelte sich zu einem gut laufenden Gasthaus, ehe es 1938 zu einem Besitzer- samt Namenswechsel kam. Fortan firmierte das Lokal als "Fohlenhof" und versuchte sich als "Feierabendcafé" - mit mäßigem Erfolg.
Die Wirtshäuser in den Ortschaften seien zumeist Familienunternehmen gewesen, die oft von Landwirten im Nebenerwerb betrieben wurden, sagt Müller. Einen handfesten Familienzwist gab es dabei rund um die Gastwirtschaft "Häuserl am Roa" in Winning. Dort errichtete der sogenannte Knabenbauer Georg Aichner um 1865 ein Haus an der Nordgrenze seines Gartens - vermutlich als Ruhesitz, nachdem er sich mit seinem Sohn verkracht hatte, der ebenfalls Georg hieß. In dem Gebäude am Roa, also am Rain, betrieb er dann eine Wirtschaft. Zugleich eröffnete sein Sohn wenig später im Knabenbauerhaus ebenfalls ein Lokal, das aber so schlecht ging, dass es 1877 geschlossen wurde. Derweil hielt sich das "Häuserl am Roa", das heute noch steht, trotz mehrerer Besitzerwechsel bis zur Jahrhundertwende.
Mitte des 20. Jahrhunderts setzte dann auch in Taufkirchen ein Wirtshaussterben ein. "Die Gründe waren vielfältig", sagt Müller. Neben gesellschaftlichen Veränderungen habe sich die Bevölkerungsstruktur in Taufkirchen gewandelt, zumal durch den Bau der Siedlung Am Wald Anfang der Siebzigerjahre. Dazu seien zunehmend ausländische Lokale als Konkurrenz gekommen - "erst italienische, dann griechische, dann asiatische", sagt der Heimatpfleger. Von den einst sieben Gaststätten ist heute nur noch eine übrig: der Gasthof Trenner, der auf eine mehr als 300-jährige Geschichte zurückblickt. Als sogenannte Tafernwirtschaft - mit dem vom Landesherrn verliehenen Tafernrecht, eine Art Gaststättenkonzession - sei das Gasthaus an der Münchner Straße der soziale Treffpunkt im Ort gewesen, sagt der Heimatpfleger. Dabei habe das Lokal auch von seiner Lage profitiert, "direkt neben der Kirche, unweit von Maibaum und Kriegerdenkmal".
Der Trenner, der über die Zeit etliche Besitzerwechsel erlebte und seinen heutigen Namen seit gut hundert Jahren trägt, ist seit 1964 verpachtet und wird bereits seit 1987 von den Wirtsleuten Petra und Peter Bender geführt. "Sie haben es geschafft, den Betrieb aufrecht zu erhalten", sagt Michael Müller, "auch während der schwierigen Corona-Pandemie".
"Wirtshauskultur in Taufkirchen" heißt der Vortrag von Heimatpfleger Michael Müller am kommenden Dienstag im VHS-Gebäude am Ahornring. Beginn ist um 19 Uhr. Der Eintritt zu der Veranstaltung ist frei; Interessierte können den Vortrag auch online verfolgen. Eine Anmeldung unter www.vhs-taufkirchen.de wird erbeten.