Süddeutsche Zeitung

Unfallschwerpunkt in Straßlach:Im Sommer müssen Radler schieben

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Auf der steilen Straße kommt es immer wieder zu Unfällen. Deshalb gilt am Mühltalberg ein umstrittenes Radfahrverbot. Nach Ansicht des Gerichts ist es jedoch gerechtfertigt, zumindest teilweise.

Von Iris Hilberth, Straßlach-Dingharting

Wer mit dem Fahrrad von Straßlach aus den Mühltalberg hinunter an den Isarkanal will, wird auch weiterhin zumindest auf dem oberen Stück absteigen und schieben müssen. Bei einem Ortstermin am Mittwochnachmittag stellte das Verwaltungsgericht München fest, dass wegen der "besonderen örtlichen Verhältnisse" das geltende Radfahrverbot auf der stark abschüssigen Talabfahrt besser nicht aufgehoben werden sollte. Gegen diese Verkehrsregelung geklagt hatte der Radfahrer Simon Lutz. Er ist Mitglied im Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC), der schon lange das Radfahrverbot an dieser Stelle kritisiert.

Die enge, steile Straße mit 18 Prozent Gefälle und zwei unübersichtlichen Kurven nutzen an schönen Tagen nicht nur zahlreiche Radfahrer. Auch Fußgänger und Autos sind hier unterwegs, denn am unteren Ende befindet sich mit dem Gasthaus "Zur Mühle" und der Floßrutsche ein attraktives Ziel. Immer wieder ist es in der Vergangenheit dort zu Unfällen gekommen, laut Polizei und Gemeinde ausschließlich Unfälle mit Fahrrädern; Autos seien nie beteiligt gewesen.

Zuletzt hatte eine Radfahrerin eine Fußgängerin angefahren und schwer verletzt. Und weil gerade während der Corona-Pandemie noch mehr Ausflügler als in den Jahren zuvor die Straße nutzten, stellte die Gemeinde im Juni 2020 ein großes Transparent auf, das auf die Gefahr und das Radfahrverbot hinweist. Daraufhin war Lutz vor Gericht gezogen. Dabei gilt das Verbot schon seit 1993.

Damals hatte sich auf dem unteren Teil der Strecke ein tödlicher Unfall ereignet. Wie genau daraufhin die Anordnung der Verkehrsregelung begründet wurde, darüber lässt sich heute nichts mehr in alten Akten finden, stellten die Prozessbeteiligten fest. Fakt aber ist, dass sich in den dreißig Jahren kaum einer an das Verbot gehalten hat, Generationen von Radlern sind trotzdem hier hinunter gefahren. Straßlachs Bürgermeister Hans Sienerth (parteifrei) gibt zu, man habe das lange so laufen lassen - bis sich eben die Unfälle gehäuft hätten.

Zunächst habe man sogar versucht, durch ein generelles Fahrverbot die Sache in den Griff zu bekommen, doch dagegen habe der Wirt erfolgreich geklagt, weil seine Gäste dann nur noch zu Fuß hätten kommen können. Auch ein Tempolimit von 20 Stundenkilometern habe nicht funktioniert.

So schreitet an diesem Januartag also gemeinsam mit der Polizei, dem Bürgermeister und dem Kläger der Vorsitzende Richter der 22. Kammer, Dietmar Wolff, die Strecke ab. Es ist sonnig, aber eisig, Radler sind kaum unterwegs, das Gasthaus hat geschlossen. Wolff stellt fest, dass die asphaltierte Straße nur 3,30 Meter breit ist, dass eine Leitplanke und eine Böschung sie zu einem Hohlweg machen und lässt sich von Vertretern der zuständigen Polizeiinspektion bestätigen, dass vor allem Rennradler hier gerne Vollgas geben. "Wir sind mal zu einem Unfall gerufen worden, da sind wir hinter einem Radler hergefahren, den konnten wir nicht einholen. Der fuhr 70 Stundenkilometer", berichtet der Leiter der Grünwalder Inspektion, Andreas Forster. Erlaubt ist hier Tempo 30.

Der ADFC und mit ihm Simon Lutz finden hingegen, dass das Radfahrverbot unverhältnismäßig sei. Die Strecke werde von Alltags- und Freizeitradlern seit Langem stark frequentiert, es gebe keine taugliche Alternative. "Bei langsamer und vorsichtiger Bergabfahrt besteht aus Sicht des ADFC keine Gefahr für Radfahrende. Das Radfahrverbot ist nicht sinnvoll, dessen Aufhebung notwendig", erklärt Hartmut Schüler, ehemaliger Landkreisbeauftragter des ADFC München, der selbst in Straßlach wohnt. Zwar gibt es eine von der Gemeinde ausgeschilderte Alternativroute, diese werde allerdings im Winter nicht geräumt, wirft auch Kläger Lutz ein. Zudem ist sie nach Einschätzung des Fahrrad-Clubs für die meisten Radler völlig untauglich.

"Diese holprige Strecke voller Kurven mit Gefälle, Schotter, Matsch und einem äußerst schmalen kiesfreien Fahrstreifen ist nur für sattelfeste Radfahrende mit Mountainbike zu empfehlen", sagt Schüler. "Für Familien mit Kindern, ältere und weniger versierte Radlerinnen und Radler ist die Ausweichstrecke über den Isarradweg von Grünwald hinunter ins Mühltal ebenso wenig geeignet wie für Rennradfahrende."

In seiner Sitzung im Februar wird der Gemeinderat über eine saisonale Beschränkung diskutieren

Das Gericht sieht es dennoch auf dem oberen, steilen Stück für geboten an, bei der geltenden Regelung zu bleiben. Es hält es allerdings nicht für nötig, bis unten zum Isarkanal zu schieben. Nach der Einmündung des Isarradwegs von rechts könne wieder aufgestiegen und gefahren werden. So hat die Gemeinde laut Sienerth die Regelung auch immer verstanden.

Um das aber zu verdeutlichen, rät der Richter, an dieser Stelle ein weiteres Schild anzubringen, welches das Verbot erkennbar aufhebt. Auch schlägt Wolff der Gemeinde vor, im Gemeinderat die Möglichkeit eines saisonalen Verbots zu diskutieren. Denn zwischen Oktober und März sei die Straße nicht so stark frequentiert, sodass man in den Wintermonaten Radfahrern freie Fahrt zubilligen könne. "Das Problem hier ist ja der Ausflugsverkehr", so Richter Wolff.

Nicht etwa wegen des starken Gefälles tendierte das Gericht zur Klageabweisung. "Wenn das eine stinknormale Abfahrt wäre, wie wir sie häufig vorfinden, wäre das anders", erklärte der Richter. In der nächsten Gemeinderatssitzung am 15. Februar soll nun über saisonale Klappschilder diskutiert werden sowie über einen weiteren Vorschlag des Gerichts: Ein Hinweis auf das Verbot weit vor der Zufahrt zum Isarhang könnte eine Option sein, um Ärger bei Radfahrern zu vermeiden.

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