Grünwald:Sep-Ruf-Haus vorerst gerettet
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Der Abriss eines von dem stilprägenden Architekten der Bundesrepublik entworfenen Wohngebäudes scheint ausgemachte Sache. Doch im letzten Moment schwenken die Gemeinderäte in Grünwald um.
Von Stefan Galler, Grünwald
Die kleine charmante Siedlung hat ein leicht anachronistisches Flair und zieht Passanten direkt in ihren Bann: An der Hugo-Junkers-Straße in Grünwald stehen unmittelbar nebeneinander zehn Häuser, allesamt in den Dreißigerjahren entworfen vom bekannten Architekten Sep Ruf, der die deutsche Nachkriegsarchitektur maßgeblich beeinflusst hat. Dessen ungeachtet steht in Grünwald im Raum, dass ein Investor eines dieser Häuser an der Kreuzung mit der Südlichen Münchner Straße abreißt, um dort einen Büro- und Wohnkomplex zu errichten. Die Mitglieder des Bauausschusses schienen am Montagabend zunächst geneigt, diesen Plan durchzuwinken. Doch im Laufe einer etwa einstündigen Diskussion kam die Wende. Einstimmig wurde dann beschlossen, das Ganze noch einmal zu prüfen.
Dieser Meinungsumschwung kam für Stefan Rothörl, den Leiter der Bauverwaltung, offenbar völlig überraschend. Er hatte noch vor der Sitzung betont, dass die Entscheidung über den Abriss des Hauses längst gefallen sei, schließlich stehe es - im Gegensatz zu den anderen neun Sep-Ruf-Häusern in der Straße - seit 1998 nicht mehr unter Denkmalschutz. Und so wurden zunächst in der Sitzung vor allem formale Fragen zum Neubau behandelt. Es ging darum, in welchem Verhältnis gewerbliche und private Nutzung stehen müssten, wie groß die Tiefgarage konzipiert werden könne und ob es baurechtlich auch möglich sei, zwei Untergeschosse zu errichten. Mit dem Sep-Ruf-Bau schienen da einige im Gremium schon abgeschlossen zu haben.
Nicht so Grünen-Gemeinderätin Susanne Kruse, sie bezeichnete die formalen Fragen als Details, die "am Problem vorbeigehen" und betonte, dass die gerichtliche Entscheidung von vor 25 Jahren, dem Haus den Denkmalschutz zu entziehen, "nicht nachvollziehbar" sei. "Es gibt keinen Grund, dieses eine Haus abzureißen und die neun anderen nicht", sagte Kruse, die anregte, dass die Gemeinde das Gebäude kaufen solle, etwa für gemeinnützige Zwecke. "Wir sollten die zehn Häuser unter Ensembleschutz stellen", sagte sie und erhielt spontanen Applaus von den anwesenden Anwohnern, die auf der Zuhörertribüne im Oberrang Platz genommen hatten.
Der Zweite Bürgermeister Stephan Weidenbach (CSU), der die Sitzung leitete, vermittelte zunächst nicht den Eindruck, als wolle er das vorgesehene Prozedere auch nur ansatzweise in Zweifel ziehen: "Wir sind keine Genehmigungsbehörde", rief er den Ausschussmitgliedern zu. Das Gericht habe damals einen Denkmal- oder Ensembleschutz "klar verneint", deshalb sei es "das falsche Signal", den Vorbescheid abzulehnen. Seine Haltung untermauerte Weidenbach, indem er den Beifall der Zuhörer bei Argumenten gegen den Abriss des Hauses harsch unterband. Und auch Abteilungsleiter Rothörl blieb bei seiner Meinung: "Ich weiß nicht, wieso sich das so zuspitzt", sagte er und behauptete, dass "morgen schon die Bagger anrücken" könnten, so eindeutig sei die Rechtslage. Und überhaupt habe man nicht genug Zeit, um zu reagieren, bis 28. März müsse entschieden sein, sonst gelte das Schweigen der Gemeinde als Zustimmung. Dabei reiche es aber nicht aus, den Vorbescheid abzulehnen, man müsse auch einen konstruktiven Gegenvorschlag machen, um keine Verhinderungsplanung zu betreiben.
"Sep Ruf würde sich im Grabe umdrehen"
Doch da hatte sich die Stimmung im Gremium bereits gedreht, die Lokalpolitiker legten nach und nach ihre Zurückhaltung ab. FDP-Gemeinderat Michael Ritz etwa sagte: "Sep Ruf würde sich im Grabe umdrehen, wenn er das mitbekommen würde." Er erinnerte auch daran, dass die Nachbarn ihre Häuser "aufwendig im Sinne des Ensembles renoviert" hätten. Und auch die CSU-Gemeinderäte kamen ins Grübeln: Die dritte Bürgermeisterin Uschi Kneidl sagte, sie sehe sich "nicht in der Lage, dem Vorbescheid zuzustimmen", ihr Fraktionskollege Reinhard Splettstößer äußerte Bedenken, dass man einen Präzedenzfall schaffe, wenn man den Abriss jetzt durchdrücke: "Deshalb können wir heute keine Entscheidung treffen, sondern müssen erst weitere Erkundigungen einholen."
Letztlich kamen die Ausschussmitglieder zu dem Schluss, die Entscheidung zu vertagen, was bei den Anwohnern mit Erleichterung aufgenommen wurde. Die engagierte Gruppe, zu der unter anderem der 92 Jahre alte frühere Unternehmer und noch immer aktive Maler Otto-Ernst Holthaus gehört, steht bereits mit dem Landesamt für Denkmalpflege in regem Austausch. Dort habe man sich ganz klar für den Erhalt des Hauses ausgesprochen und auch Kreisdenkmalpfleger Rolf Katzendobler will das Gebäude laut der Grünen-Gemeinderätin Bettina Schreyer retten. Die Nachbarn sind jedenfalls wild entschlossen, für den Erhalt der Hugo-Junkers-Straße 1 zu kämpfen.
Das Thema soll nun in der nächsten Sitzung am 13. März wieder auf die Tagesordnung kommen. Offen ist dabei einerseits, wie sich das Landratsamt als Genehmigungsbehörde im vorliegenden Fall positionieren wird und vor allem, was der Eigentümer des Grundstücks konkret vorhat und ob er sich womöglich dazu durchringen könnte, der Gemeinde das Anwesen zu verkaufen. Eine der zahlreichen Fragen, die die Grünwalder in den kommenden Wochen beantworten müssen.
Sep Ruf (1908-1982) gilt als einer der bedeutendsten Architekten der Nachkriegszeit in Deutschland. Der Münchner hat mit öffentlichen Bauten und Wohnhäusern wichtige Akzente im Stadtbild gesetzt. Seine Bauten gelten als leicht und transparent. Besondere Bekanntheit erlangte Ruf durch den Bau des Kanzlerbungalows in Bonn. In Grünwald errichtete er von 1934 bis 1936 eine kleine Wohnanlage für die leitenden Mitarbeiter der Münchner Hugo-Junkers-Werke. Von den zehn mal zehn Meter großen Wohnhäusern könnte nun eines abgerissen werden. Laut "Sep Ruf Gesellschaft" sah der Architekt im Wohnhausbau eine "soziale und grundsätzliche Aufgabe". Er wollte "einen Wohnorganismus" gestalten, der dem "Großstadtmenschen Licht, Luft und Sonne und einen Sitzplatz im Freien, im Garten gewährt".