Süddeutsche Zeitung

Meine zweite Heimat:Einfach nur ein Mensch

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Der Iraner Hadi Raziorrouh versteht sich selbst als bayerischer Perser. In Sauerlach, seinem zweiten Zuhause, hat er sich nie fremd gefühlt.

Von Anna-Maria Salmen, Sauerlach

"Für mich ist die ganze Welt meine Heimat", sagt Hadi Raziorrouh. Dieser Grundsatz der Glaubensgemeinschaft der Bahai, der der 76-Jährige angehört, fasst perfekt zusammen, warum es ihm so gut gelungen ist, sich fern der Heimat ein neues Leben in Sauerlach aufzubauen. "Ich habe mich nie als Fremder empfunden und auch andere nie so gesehen, sondern einfach als Menschen."

Seine Wurzeln hat Raziorrouh im Iran, den größten Teil seines Lebens - mehr als 50 Jahre - hat er in Deutschland verbracht. Sein Weg nach Sauerlach war voller Höhen und Tiefen. Doch unterkriegen lassen hat sich der bayerische Perser, wie er sich selbst sieht, nie.

Schon mit 17 Jahren kam Raziorrouh nach Deutschland, wo zwei seiner Brüder bereits mit ihren deutschen Frauen lebten. Zum studieren wollte er ohnehin ins Ausland. Weil im Iran alle Männer mit 18 Jahren zum Militär mussten, zog er die Abreise vor. Die erste Anlaufstelle fand der junge Mann bei den deutschen Schwiegereltern eines Bruders in München. Das Paar hatte Kinder im gleichen Alter, so konnte Raziorrouh direkt anknüpfen, die deutsche Kultur kennenlernen und die Sprache lernen. Für eine Ausbildung zum Handwerker ging er 1965 nach Ulm. Eine harte Zeit, erinnert er sich. "Dort habe ich die deutsche Disziplin kennengelernt." In München machte der Iraner seinen Meister im Heizungsbau und baute gemeinsam mit einem Geschäftspartner seine erste Firma auf.

Dennoch, die Verwandtschaft im Iran fehlte ihm. In seiner Heimat herrschte in den Siebzigerjahren zudem ein wirtschaftlicher Aufschwung, während Deutschland im Stillstand verharrte. Gemeinsam mit seiner Frau Margot fasste Raziorrouh daher den Entschluss, zurückzugehen und eine zweite Firma zu gründen. Das neue Leben in der alten Heimat war gut, sagt er.

Doch während Margot zu Weihnachten 1978 mit den beiden Kindern die Verwandtschaft in Deutschland besuchte, brach im Iran die Islamische Revolution aus. "Ich habe sie angerufen: Kommt nicht mehr zurück, hier ist die Hölle los", erzählt Raziorrouh. Als Bahai wurde er zum Angehörigen einer verfolgten Minderheit. Bevor er fliehen konnte, wurde er festgenommen und wartete auf seine Erschießung. Ein Geschäftspartner konnte ihn jedoch retten, Anfang 1979 gelang die Flucht zur Familie nach Deutschland.

Wieder stand Raziorrouh vor einem Neuanfang: Dank der Sprachkenntnisse und der bekannten Strukturen konnte er seine Heizungs- und Sanitärfirma schnell wieder aufbauen. Ein neues Leben in Sauerlach begann. Trotz der Rückschläge hat Raziorrouh nie mit seinem Schicksal gehadert. "Es ging nicht anders, man musste ja weitermachen." Seine Ausdauer war für den Iraner auch ein Schlüssel zur Integration, davon ist er überzeugt. "Ich musste doppelt so gut sein wie ein Deutscher, damit ich akzeptiert wurde."

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