Süddeutsche Zeitung

Soziales Engagement:Wie Ottobrunn ein Haus geerbt hat

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Ein Ehepaar hat der Gemeinde ein Grundstück samt Mehrparteienhaus hinterlassen. Aus den Erträgen sollen über eine Stiftung unverschuldet Hilfsbedürftige unterstützt werden.

Von Daniela Bode, Ottobrunn

Angesichts steigender Energiepreise und Inflation gibt es immer mehr Menschen, die sich das Nötigste kaum mehr leisten können. Welch ein Segen also, wenn wohlhabende Menschen auch an ihre nicht so gut gestellten Mitbürger denken wie es in Ottobrunn geschehen ist. Das Ehepaar Jakob und Ilse Steretzeder, das selbst keine Kinder hatte, hat der Gemeinde 2014 ein Grundstück samt Haus darauf vererbt. Nach deren Willen sollten aus den Erträgen Gemeindebürger unterstützt werden, die unverschuldet in Not geraten oder hilfsbedürftig geworden sind.

Die Steretzeders waren bisher nicht aufgefallen in der Gemeinde, bis sie vor ein paar Jahren eines Tages zu Bürgermeister Thomas Loderer ins Büro kamen. "Sie haben eher zurückgezogen gelebt, sie waren nicht in Vereinen aktiv, ich kannte sie bis dahin nicht", erzählt der Rathauschef. In seinem Büro also brachten sie ihr Anliegen vor, dass sie ein Grundstück mit einem Haus darauf hätten, das sie der Gemeinde gerne vermachen wollen.

Aus dem Erbe ist eine Stiftung hervorgegangen

"Das Ehepaar lebte schon Jahrzehnte in Ottobrunn und fühlte sich hier sehr wohl", erzählt Loderer. Der Erblasser, Jahrgang 1928, war früher Kohlehändler. Er verstarb schließlich 2016, drei Jahre später auch seine Frau. "Sie wollten etwas Gutes tun", sagt Daniela Steretzeder, Großnichte des Erblassers. Ilse Steretzeder habe als Kind auch zeitweise im Kinderheim gewohnt, es seien Kriegszeiten gewesen, sie habe zum Teil wenig zu essen gehabt. "Sie wollten beide, dass jemand was davon hat und Menschen in Not unterstützen", sagt die Großnichte.

Ende 2019 nahm die Gemeinde dann das Erbe an. Seitdem waren noch diverse Dinge zu regeln, unter anderem vor dem Nachlassgericht. Mittlerweile ist, wie es der Wunsch und die Auflage der Erblasser war, eine nicht-rechtsfähige, steuerbefreite Stiftung gegründet worden. Sie trägt den Namen "Jakob und Ilse Steretzeder-Stiftung". Ihr Zweck ist es, unverschuldet in Not geratene und hilfsbedürftige Gemeindebürgerinnen und -bürger zu unterstützen. Das Sechs-Parteien-Haus, das das Ehepaar der Gemeinde vererbte und in dem es auch selbst wohnte, hat vier größere Wohnungen und zwei Appartements. Alle Wohnungen sind derzeit laut Loderer vermietet. Die Mieteinnahmen fließen in die Stiftung.

Aktuell ist noch die eine oder andere Rechnung offen, auch stehen mittelfristig Instandhaltungsmaßnahmen an, so dass noch nicht absehbar ist, wann genau die Stiftung zu Ausschüttungen in der Lage ist. "Wir müssen das nun wirtschaftlich zum Laufen bringen", sagt Loderer. So will man möglichst schnell dahin kommen, dass kleinere Beträge um die 100 Euro von der Verwaltung an Bedürftige ausgezahlt werden können. Wenn das angelaufen ist, strebt der Bürgermeister an, eine Art Stiftungsbeirat zu gründen, der dann über Anträge auf größere Einzelbeträge entscheiden kann, wenn die Stiftung solche abwirft.

Der Bürgermeister begrüßt das Handeln der Steretzeders, zumal es auch zu seinen Ideen für die Zukunft passt. "Ich möchte ausdrücklich dazu ermuntern, sich zu überlegen, ob man nicht der Gemeinde, in der man jahrzehntelang gelebt hat, etwas zukommen lassen möchte", sagt der Rathauschef. Er würde sich über Zustiftungen freuen. Er möchte das Thema ohnehin mit größerer Intensität angehen. Er kann sich vorstellen, dass es irgendwann mehrere kleinere Stiftungen gibt, die dann alle unter einem Dach laufen, etwa im Sinne einer Bürgerstiftung. Er verweist auf das Beispiel der Stadt München, die ein großes Stiftungsmanagement habe, weil viele Bürger der Stadt etwas vererben würden.

Er hebt auch die "Luitpold und Ludwig Rothenanger Stiftung" hervor, die seit 2000 Bedürftige im Südosten des Landkreises unterstützt. "Es ist eine unglaubliche Entlastung, dass es die Stiftung gibt", sagt er. Vor dem Hintergrund sei es toll, dass es nun eine neue Stiftung gebe. Das Thema passe auch zum Zeitgeist, findet Loderer, "wo der Staat nicht mehr alles schultern kann, gleichzeitig aber privates Vermögen da ist".

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