Süddeutsche Zeitung

Oberschleißheim:Angst vor neuen Nachbarn

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Anwohner der Berglwaldsiedlung wehren sich gegen ein Sechsfamilienhaus, mit dem eine staatliche Baugesellschaft bezahlbaren Wohnraum schaffen will.

Von Klaus Bachhuber, Oberschleißheim

Ein Neubaugebiet in relevanten Dimensionen ist in Oberschleißheim seit dem Quartier an der Hirschplanallee vor fast 20 Jahren nicht mehr ausgewiesen worden. Entsprechend drastisch war der Drang zur Nachverdichtung in betagten Siedlungen, der insbesondere den alten Ortsteil östlich der Bahnlinie über die Jahre stark verändert hat. Verschont blieb von diesem Druck zur Wohnraummaximierung bisher im Wesentlichen die Berglwaldsiedlung aus den Fünfzigerjahren, mit Ein- und Zweifamilienhäusern in üppigen Gärten.

Doch jetzt befürchten Anlieger den Beginn einer "mutwilligen Zerstörung der Berglwaldsiedlung". Auslöser ist das Projekt einer staatlichen Immobiliengesellschaft, die an der Lindenstraße eine Wohnanlage mit sechs Einheiten errichten möchte. "Ein Sechs-Parteien-Ungetüm, welches das vorhandene Grundstück maximal ausreizt", befürchten die Nachbarn Nina und Michael Dalchow und warnen: "Dies könnte der Dammbruch sein, der dazu führt, dass sukzessive weitere solche Bauvorhaben Platz greifen und dadurch das harmonische Erscheinungsbild der Berglwaldsiedlung unwiederbringlich zerstört wird."

Die "Immobilien Freistaat Bayern" hatte zunächst einen 15 Meter langen und 13 Meter breiten Wohnblock mit sieben Wohnungen plus Tiefgarage beantragt. Die Gemeindeverwaltung sah das als völlig deplatziert und hatte als Reaktion darauf vorgesehen, den Baulinienplan von 1955 für das Gebiet durch einen modernen Bebauungsplan zu ersetzen, der insbesondere die Verkehrssituation in der Nähe der Grund- und Mittelschule befriedigend regeln sollte. Zu einer Beschlussfassung kam es aber nicht, weil Bürgermeister Markus Böck (CSU) zuvor noch Gespräche mit dem Bauwerber führen und "in Zusammenarbeit eine gescheite Lösung für uns alle" entwickeln wollte, wie er in der damaligen Sitzung sagte.

Jetzt liegt ein Plan vor, der nur mehr sechs Wohneinheiten und eine entsprechend andere Gesamtgestaltung vorsieht. Das Gemeindebauamt hat ihn noch nicht bewertet, eine Empfehlung mit Beschlussfassung durch den Gemeinderat ist für Ende des Monats vorgesehen. Böck sagte auf Anfrage, der Plan sei nun aber "zumindest wohl das, was mit dem Bauherrn besprochen wurde".

Den Baumbestand schützen

Für die Anlieger ist das Urteil allerdings schon klar: Mit dem Plan werde "die harmonische Bebauung der idyllischen Berglwaldsiedlung zerstört und die Konsequenzen eines solchen Baus den Anwohnern zugemutet". Dazu müsse für den Neubau alter Baumbestand weichen. "Dies ist für uns nicht nachvollziehbar", monieren Nina und Michael Dalchow und erinnern daran, dass die Gemeinde erst vor kurzem eine Baumschutzverordnung auf den Weg gebracht habe, explizit mit dem Hintergrund, "eben diesen für die Berglwaldsiedlung typischen Baumbestand zu schützen".

Bürgermeister Böck weist darauf hin, dass es bezüglich der Gebäudedimensionen "einen Präzedenzfall in der näheren Umgebung" gebe, hinter den die Gemeinde schwer zurückkomme. Zudem solle das staatliche Bauprojekt immerhin bezahlbaren Wohnraum schaffen, was ein erklärtes gesellschaftliches Ziel sei. In seinen Verhandlungen mit dem Bauwerber habe er daher "die Intention verfolgt, dass es ermöglicht wird und ein Stück weit in die Umgebung passt". Definitiv zerstreut werden könnten aber die Befürchtungen der Nachbarn, hier werde ein Boarding-Haus entstehen. Gewerbliches Wohnen sei an der Lindenstraße keinesfalls zulässig, heißt es auf Anfrage aus dem Gemeindebauamt.

Die Berglwaldsiedlung ist laut dem 65 Jahre alten Baulinienplan als "lockere Waldsiedlung" konzipiert. Bislang habe es von dieser Vorgabe "noch keinerlei Befreiungen gegeben", hatte das Gemeindebauamt bei der ersten Behandlung im Bauausschuss des Gemeinderats festgehalten. Die Grünen hatten dabei gefordert, den Bebauungsplan auf jeden Fall zu modernisieren, so wie es das Bauamt für den konkreten Antrag zunächst auch vorgesehen hatte. "Die nächsten Fälle in dem Gebiet sind absehbar", sagte ihr Sprecher Fritz-Gerrit Kropp. Der Vorstoß wurde jedoch einhellig abgelehnt.

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Quelle:
SZ vom 14.04.2021
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