Süddeutsche Zeitung

Oberschleißheim:"Jetzt saufen sie wieder hier und machen Dreck"

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Sommerwetter und Corona-Beschränkungen befördern Partyzonen im Freien, mitunter zum Leid von Anwohnern und Sportlern. Ein Treffpunkt mit Konfliktpotenzial ist auch die Ruderregattastrecke.

Von Irmengard Gnau und Gudrun Passarge, Oberschleißheim

Ist die Regattastrecke in Oberschleißheim ein neuer Hotspot für feiernde Jugendliche? Anfang Juli gab es einen größeren Polizeieinsatz wegen einer offensichtlich lautstarken Corona-Party. "Das ist eine einmalige Geschichte gewesen, seitdem ist nichts mehr passiert", sagt Tobias Kohler, Sprecher der Olympiapark München GmbH, die das Gelände betreut. Allerdings berichten Vertreter von Sportvereinen, dass es häufiger Zwischenfälle gibt, dass das Miteinander an der Strecke schwieriger geworden sei.

Ein normaler Sommernachmittag am Wasser. Eine kleine Familie mit Bollerwagen sucht sich einen Platz am Ufer der Regatta-Strecke, zwei Frauen setzen ihre Kleinkinder in den Kinderwagen und verlassen ihren Stammplatz. Der Badesteg ist voll belegt mit Jugendlichen. Einige spielen Ball, andere gruppieren sich um eine Shisha-Pfeife. Auf dem Wasser ziehen ein paar Kanus vorbei. Alle haben ihren Spaß, alles ist friedlich. Aber das ist offenbar nicht immer so. An lauen Sommerabenden ist die Regattastrecke ein beliebter Treffpunkt, für Badegäste genauso wie für feiernde Jugendliche. Das Gelände bietet sich an als Treffpunkt, es ist im Freien, liegt etwas ab vom Schuss abseits von Wohnbebauung.

Thomas Köglmeier, stellvertretender Leiter der Polizeiinspektion in Oberschleißheim, sagt, an Spitzentagen kämen dort etwa 200 bis 300 Menschen zusammen, ein "ganz gemischtes Publikum". Er bestätigt den Polizeieinsatz bei der Party, die ein Passant gemeldet hatte. Die Polizei habe die Personalien von 94 Menschen aufgenommen und an die Olympiapark GmbH weitergeleitet. Diese müsse jetzt entscheiden, ob Hausverbote erteilt werden. Tatsächlich spreche die Olympiapark GmbH gelegentlich solche Hausverbote aus, sagt Kohler. Er erinnert sich an den Fall eines Mannes, der im vergangenen Jahr "wild mit dem Motorrad herumgefahren ist. Bei solchen Sachen muss man einschreiten".

Die Party hält er für eine Ausnahme und setzt er in den Kontext von Corona, weil eben viele Treffpunkte den jungen Leuten momentan nicht mehr zur Verfügung stehen. Diesen Zusammenhang betont auch Köglmeier. "Normalerweise gibt es da keine Störungen", sagt er, bestätigt aber, dass die Polizei dort regelmäßig Streife fährt. Gelegentlich gebe es Fälle von Vandalismus an der Strecke, räumt Köglmeier ein, zerschmissene Scheiben, Graffiti. Außerdem komme die Polizei, wenn jemand den Anweisungen der Sicherheitsmänner nicht Folge leiste und etwa die Bootsstege nicht frei mache, an denen die Sportler ihre Boote zu Wasser lassen.

Thomas Schröpfer kennt diese Fälle. Seit etwa zwei Jahren beobachtet er, dass die Konflikte zwischen den Sportlern, Freizeitnutzern und Gruppen junger Leute an der Regatta zunehmen. Der Mittfünfziger ist Sportvorsitzender der Rudergesellschaft München (RGM), seit Ende der Siebzigerjahre kommt er mehrmals wöchentlich an die Strecke, um seine Bahnen zu ziehen. Er hat durchaus Verständnis dafür, dass die Jugendlichen feiern auf dem öffentlichen Areal, doch der Ton habe sich unangenehm verändert. "Ich erlebe häufiger, dass sich einige rücksichtslos verhalten oder sogar latent aggressiv", sagt Schröpfer. Gerade an den Stegen gebe es Ärger. Eigentlich sind die Stege klar gekennzeichnet, jener an der Längsseite steht allen offen, die bei den Bootshäusern sind den Mitgliedern der Ruder- und Kanuvereine vorbehalten.

Trotzdem schildert Schröpfer, sei es schon mehrfach zu Anfeindungen gekommen, wenn er um Platz für sein Boot gebeten habe. Vor zwei Jahren sei eine Szene beinahe eskaliert, als eine Gruppe junger Männer seine Skulls, die Ruder, ins Wasserbecken geworfen habe und sich dann weigerte, diese wieder herauszuholen. Das sei nicht die Regel, mache aber ein ungutes Gefühl. Schröpfer sorgt sich um die Sicherheit der Boote und seiner Vereinsmitglieder. Und er habe schon mehrmals die Polizei angerufen, "und die kommt dann auch", um die Situation zu klären.

Die Olympiapark GmbH unterhält seit Jahren schon einen Sicherheitsdienst an der Regattastrecke. Das rote Auto fährt auch an diesem Sommernachmittag vorbei. Die zwei Sicherheitsleute müssen immer wieder aussteigen, um Leute zu ermahnen. Die jungen Badegäste haben sich nicht an die Begrenzung gehalten und schwimmen über die Bojenkette hinweg oder unten durch und kreuzen damit die Bahnen der Ruderer. Aber sie reagieren sofort, als die Sicherheitsmänner rufen und schwimmen ans Ufer. Als die beiden wieder in ihr Auto gestiegen sind, dauert es nicht lange und es tauchen wieder Köpfe jenseits der Bojenkette auf. Ein Ruderer nähert sich auf der Bahn und fährt in Richtung Bootshaus. Er kann den Schwimmer hinter sich nicht sehen, der sich deshalb schnell in Sicherheit bringt.

Ihre Hauptaufgabe sei es, die Stege vor dem Bootshaus für die Sportler freizuhalten, sagt einer der Sicherheitsmänner. Bei schönem Wetter patrouillierten sie etwa alle halbe Stunde. Auch in der Nacht fahren sie Streife. Ob es schlimmer geworden ist in diesem Jahr als sonst? "Ach, das geht immer hin und her", sagt der Mann von der Security. Es habe auch früher schon Phasen gegeben, wo es schlimm gewesen sei. Das passt zu den Angaben von Köglmeier, der sich an eine Gruppe erinnert, die immer wieder auffällig war und dann Hausverbot bekam. Danach sei es wieder ruhig gewesen. Die Männer des Securitydienstes kommen wieder vorbei, diesmal können sie im Auto bleiben. In den Ferien werde die Bestreifung erhöht, sagt Kohler. So etwas wie die Corona-Party soll sich nicht wiederholen: "Wir passen auf und schauen im Rahmen unserer Möglichkeiten, dass so etwas nicht noch einmal passiert."

Die Ruderregatta ist nicht der einzige Ort, an dem sich Jugendliche versammeln. Gerade in diesem Sommer nach den coronabedingten Einschränkungen der vergangenen Monate, mit geschlossenen Clubs und abgesagten Veranstaltungen, zieht es alle Menschen hinaus an die Seen und Plätze im Landkreis. An vielen Orten prallen die unterschiedlichen Interessen aufeinander und das heuer, so hat es den Anschein, besonders heftig. Am Hollerner See in Unterschleißheim dokumentieren verärgerte Spaziergänger in den frühen Morgenstunden regelmäßig die Überreste Feiernder der vergangenen Nacht. Genauso wie in Grünwald, wo die Gemeinde Scharen von Ausflüglern in Wörnbrunn und an der Isar registriert und mit doppelt so viel Müll wie sonst zu kämpfen hat. Abfall ist auch an der Regattastrecke ein Problem. Zwei Frauen haben ihr Badehandtuch eingerollt und gehen Richtung Parkplatz. Einige junge Männer mit Flasche in der Hand kommen ihnen entgegen. "Jetzt saufen sie wieder hier und machen Dreck", stellt eine von ihnen lakonisch fest.

Wie aber könnte sich die Situation an der Regattastrecke zwischen Jugendlichen und Sportlern entspannen? Schröpfer schätzt die Präsenz des Sicherheitsdienstes und auch der Polizei. Zusätzlich, so sagt er, könnten Streetworker womöglich Konflikte zwischen Feierwütigen und Sportlern vorbeugen.

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SZ vom 13.07.2020
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