Süddeutsche Zeitung

Schulen:Der Campus und seine alten Feinde

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Kritiker der geplanten Realschule und Fachoberschule am Deisenhofener Bahnhof kämpfen weiter gegen den Standort. Die Oberhachinger reagieren in der Bürgerversammlung zunehmend genervt.

Von Iris Hilberth, Oberhaching

Wenn Stefan Schelle mit seinem Bericht durch ist, wenn die letzte Folie der Oberhachinger Gemeindeverwaltung zu Finanzen, Verkehr, Energiewende, Schulen gezeigt wurde und wenn der Bürgermeister dann zur Seite tritt und das Rednerpult den Bürgern überlässt, ist den meisten im Saal schon klar, was nun folgt. So war das bei den vorangegangenen Bürgerversammlungen und so war das auch an diesem fortgeschrittenen Mittwochabend.

Es ist der Zeitpunkt, an dem zwei Männer im fortgeschrittenen Alter hintereinander ans Mikrofon treten, die es sich offenbar zu Lebensaufgabe gemacht haben, den Schulcampus am Deisenhofener Bahnhof zu verhindern. Immer und immer wieder. Hartnäckig, vehement, vorwurfsvoll und mitunter auch herablassend bis beleidigend beharren sie auf ihrem Standpunkt, dass ein Campus aus Realschule und Fachoberschule auf dem Areal nichts zu suchen hätte.

Dass diese Meinung in Oberhaching noch nie von wirklich vielen Menschen geteilt wurde und mittlerweile die umfangreichen Ausführungen dazu auch keiner mehr hören will, wurde spätestens deutlich, als die Hälfte der Zuhörer den Saal verließ und ein Teil der noch versammelten Bürger versuchte, durch lautes Klatschen zum Ausdruck zu bringen: Jetzt reicht's aber.

Bürgermeister Schelle versucht diesen Angriffen von Hauptkritiker Anton Sewald, der dieses Mal mit 13 Power-Point-Folien angereist war, mit Gelassenheit zu begegnen. So lehnte sich der Bürgermeister auch am Mittwochabend demonstrativ entspannt zurück, machte sich erst einmal eine neue Flasche Wasser auf und ließ den Mann reden. Über den "Schaden am Ortsbild", der durch den neuen Campus entstünde, die Schuld des Gemeinderats und der Medien am Scheitern seines Bürgerbegehrens, über "so genannte Gutachten mit dümmlichen Argumenten", den "Verlust der Sichtachse zum Forst und des Grünzugs". Und darüber, dass die Gemeinde das Geld rausschmeiße und es weder Transparenz noch Bürgerbeteiligung gebe. Sewald sprach von "Schikanen für abtrünnige Bürger", von "Salamitaktik" bei der Standortuntersuchung und "städtebaulicher Fehlleistung".

Irgendwann erhob sich ein Zuhörer im hinteren Teil des Saals. Dessen Geduld war offenbar erschöpft, er warf ein, dass doch auch noch andere Themen besprochen werden sollten. Doch dann kam wie zu erwarten Campus-Gegner Nummer zwei an die Reihe: Gerhard Jobst, der stets betont, einst in der Gemeindeverwaltung gearbeitet zu haben, hält eisern an der Idee fest, die Fachoberschule an der Kreisstraße M 11 zu errichten und nur die Realschule am Bahnhof Deisenhofen. Dass dadurch die Synergieeffekte wie eine gemeinsame Mensa und eine gemeinsame Turnhalle außer Acht gelassen werden, interessiert ihn nicht. Das war der Moment, als immer mehr Leute aufstanden und gingen.

Schelle kennt das alles schon, als Politiker ist er Kritik gewohnt und er weiß: "Das gehört zur Demokratie dazu." Doch wurde es ihm dann doch irgendwann zu viel. Bevor Sewald auch noch eine vorbereitete Resolution gegen den Campus verlesen konnte, ergriff der Bürgermeister das Wort, um einiges klar zu stellen und die Vorwürfe entschieden zurückzuweisen. "Das ist Ihre private Meinung", sagte er. Die Gutachten seien nicht "so genannt" und belegten allesamt, dass die Infrastruktur am Bahnhof Deisenhofen vorhanden sei. Auch sei mehrfach der Alternativstandort geprüft worden. Und dass man dieses wertvollste Grundstück der Gemeinde nicht für zwei Schulbauten hergeben soll? "Wir haben das Filetgrundstück für unser Filet aufgehoben", sagte Schelle.

Wie dieses "Filet" einmal aussehen soll, hatte Architekt Robert Härtz vom Büro Hirner und Riehl aus München zuvor erläutert, und mit einer Visualisierung auch anschaulich gemacht, dass der von den Kritikern als "steril" bezeichnete Schulcampus aus mehreren einzelnen Holzbauten mit Salettl-Dächern, mit großzügigen, begrünten Höfen, vielen Bäumen, einer Dreifachturnhalle sowie Außen- und Sportflächen bestehen wird, die auch außerhalb der Schulzeiten von den Bürgerinnen und Bürgern genutzt werden könnten.

"Wenn Sie dann mal auf der Bank an der Mensa sitzen, dann werden Sie den Wald sehen können", versprach Bürgermeister Schelle Kritiker Sewald. Und weil der nicht nur den angeblichen Verlust von Sichtachsen angeführt hatte, sondern auch bezweifelt, dass die Planung eines Schulcampus in der Innenstadt zur demographischen Entwicklung passt , weil er vor allem eine Zunahme an Senioren bemerkt, gab Schelle ihm noch mit auf den Weg: "Wenn in 66 Jahren nur noch alte Leute in Oberhaching wohnen, kann diese Schule in ein Seniorenheim umgebaut werden."

Es ziehen so viele junge Familien zu, dass es aktuell einen Engpass in der Kinderbetreuung gibt

Aktuell aber kann Oberhaching sich über einen Mangel an Kindern und Jugendlichen nicht beklagen. Im Gegenteil: Es ziehen vor allem junge Familien in die Gemeinde, weshalb es aktuell sogar einen Engpass in der Kinderbetreuung gibt. Auch die Vorläuferklassen der Realschule laufen gut an. Derzeit sind die als Zweigstelle der Walter-Klingenbeck-Realschule Taufkirchen zwar noch in Containern untergebracht, doch das Interesse ist laut Bürgermeister Schelle groß.

Peter Harm, Konrektor in Taufkirchen und für den Aufbau der neuen Schule in Oberhaching zuständig, saß im Publikum und nickte zustimmend. Vergangene Woche hatte man bei einem Infoabend für das neue Schuljahr vierzig Stühle für die Eltern bereit gestellt. Sie reichten bei weitem nicht aus. Schelle geht inzwischen davon aus, dass vier Klassen gebildet werden können. "Die Sache nimmt Fahrt auf, es ist ein junges Kollegium, das es als große Chance sieht, zum Gründungsjahrgang zu gehören", hat der Bürgermeister festgestellt. "Für künftige Generationen werden wir einen wichtigen Baustein setzen", sagte auch Landrat Christoph Göbel (CSU) in seinem Grußwort. Und an die Kritiker des Projekts gerichtet sagte Schelle: "Ich bitte, dass es irgendwann Akzeptanz gibt, dass es so wird."

In einer früheren Version des Textes hatte es geheißen, dass Anton Sewald "bezweifelt, dass es überhaupt genügend junge Menschen in Oberhaching für die beiden Schulen gibt". Bezweifelt hat er eigentlich, dass der Innenstadtstandort des geplanten Projekts der demographischen Entwicklung entspricht.

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