Süddeutsche Zeitung

Tassilo-Kandidat 2016:Mit der Sonne im Herzen

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Mit dem Musicalprojekt "Hair" haben Naomi Grundke und Susanne Casten-Jarosch mehr als tausend Zuschauer in Ismaning begeistern können. Die Musikpädagoginnen bringen Jugendliche zu neuen Erfahrungen und sind für den Tassilo-Preis nominiert.

Von Irmengard Gnau, Ismaning

Drei ausverkaufte Aufführungen und Darsteller, die mit ihrer Energie und Bühnenpräsenz die mehr als tausend begeisterten Zuschauer in Ismaning geradezu überfluteten - am Ende waren auch die beiden Initiatorinnen ein wenig überwältigt von dem, was sie da mit ihrem jungen Team geschafft hatten. "Bei der letzten Vorstellung habe ich mich in der ersten Reihe einfach zurückgelehnt und alles laufen lassen", sagt Susanne Casten-Jarosch und lächelt.

Die Musik- und Tanzpädagogin hat im vergangenen Jahr gemeinsam mit ihrer Kollegin Naomi Grundke an der Musikschule Ismaning eine Musicalklasse für Jugendliche und junge Erwachsene ins Leben gerufen. Als Pilotprojekt wählten die beiden das Hippie-Musical "Hair", Kultstück der späten Sechziger- und Siebzigerjahre, und brachten es im Frühjahr mit ihrer 20-köpfigen Gruppe auf die Bühne.

"Wir wollten etwas richtig Gutes auf die Beine stellen"

Bei der Auswahl waren sich die Musikpädagoginnen schnell einig. "Hair ist mein Lieblingsmusical", erklärt Casten-Jarosch. "Die Songs rühren an die Emotionen und nutzen sich nicht ab." Außerdem, ergänzt Grundke, seien die Themen für junge Menschen heute genauso aktuell wie damals: Rebellion, die Entdeckung der eigenen Sexualität, die Frage nach Krieg oder Frieden.

Und die Lieder sind musikalisch dafür geeignet, auch von Amateuren gesungen und getanzt zu werden. Alles gute Voraussetzungen, um den eigenen hohen Ansprüchen gerecht zu werden. "Wir wollten etwas richtig Gutes auf die Beine stellen", sagt Casten-Jarosch.

Trotzdem mussten die Leiterinnen zunächst Grundlagenarbeit leisten. "Keiner unserer Teilnehmer kannte Hair", erzählt Grundke und lacht. Es dauerte also ein wenig, bis sich die jungen Darsteller an das Lebensgefühl der Generation von Flower-Power und freier Liebe herangetastet hatten. Die gemeinsame intensive Probenarbeit aber brachte Früchte: "Es ist toll zu sehen, wie aus diesen Ismaninger Jugendlichen richtige Hippies wurden", sagt Casten-Jarosch sichtlich beeindruckt. "Sie haben sich voll darauf eingelassen und dieses Freiheitsgefühl richtig verinnerlicht." Die Begeisterung reichte so weit, dass einige Darsteller ihre selbst gebatikten Kostüme auch in der Schule trugen.

Darsteller nehmen das Selbstbewusstsein von der Bühne mit in den Alltag

Welch großen Anklang ihr Projekt bei den Zuschauern gefunden hat, macht Grundke und Casten-Jarosch durchaus stolz. Noch wichtiger aber ist den beiden, welchen Nachhall das Stück bei den Teilnehmern hinterlassen hat. Deren Körpersprache habe sich im Verlauf der Probenzeit verändert, sagt Grundke. Sie strahlten die Präsenz und Selbstsicherheit, die sie sich auf der Bühne erarbeitet haben, nun vielfach auch im Privatleben aus.

"Die Jugendlichen haben bei den Proben auch gelernt, im Hier und Jetzt zu sein, und eine Sensibilität entwickelt für die Stimmungen der anderen", beschreibt es Grundke. Ein Prozess, der auch für die beiden langjährigen Musikpädagoginnen spannend zu beobachten war. Hinzu kommt die Herausforderung, die die Verbindung von Singen und Choreografie auf der Bühne für die Neu-Musicaldarsteller bedeutete. "Das ist ein Marathon", sagt Casten-Jarosch, die vor ihrer Lehrtätigkeit selbst viele Jahre lang in verschiedenen Ensembles getanzt hat.

"Man kann mit Gesang und Tanz die Seele eines Menschen erreichen"

Doch einer, der sich lohnt, meint die 52-Jährige: "Die Verbindung von Stimme und Bewegung ist eine tolle, ganzheitliche Kombination. Man kann mit Gesang und Tanz die Seele eines Menschen erreichen." Wie sehr die beiden Elemente zusammengehören, unterstreicht auch Grundke, die studierte Opernsängerin ist. Die Wahrnehmung des eigenen Körpers, das Aufbrechen allzu gewohnter Hör- und Bewegungsmuster, ist etwas, das die beiden Musikpädagoginnen ihren Schüler weitergeben wollen.

Ob das bald in einem weiteren Musical möglich sein wird, ist noch nicht entschieden. Anfragen gibt es bereits, doch ein solches Großprojekt kostet viel Zeit und Energie; für "Hair" probte die Gruppe beinahe ein Jahr lang. Man sei noch "in der Findungsphase", sagt Grundke und lächelt. Eines dürfte sicher sein: An der Begeisterung der beiden Pädagoginnen für ihre Arbeit wird eine Wiederholung nicht scheitern.

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Quelle:
SZ vom 02.06.2016
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