Süddeutsche Zeitung

Mitten in Grünwald:Vom Times Square an den Luitpoldweg

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Manchmal lohnt sich der Blick in andere Kommunen, das könnte auch der Grünwalder Bürgermeister so sehen

Von Claudia Wessel

Grünwalds Bürgermeister Jan Neusiedl ist stolz auf seine Gemeinde. Sie kann sich in vielen Dingen mit den besten Wohnorten der Welt messen. Die Menschen leben in Sicherheit und Luxus, die gemeindeeigene Geothermiegesellschaft empfängt regelmäßig Delegationen aus der Mongolei, China oder Japan und der CSU-Politiker Neusiedl ist zweifelsohne ein Weltbürger nach der offiziellen Definition, nämlich "jemand, nach dessen Anschauung alle Menschen gleichwertige und gleichberechtigte Mitglieder einer die ganze Menschheit umfassenden Gemeinschaft sind und die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Nation von untergeordneter Bedeutung ist".

Ingrid Reinhart ist seit 20 Jahren Gemeinderätin der Grünen und hat seit 2002 das Vergnügen, mit Neusiedl zusammen zu arbeiten. Sie kennt ihn daher besser als er ahnt. Nicht nur legt sie bei oftmals für die Gemeindepolitik provokanten Themen - Flüchtlinge, Geothermie Unterhaching - einen sanften Tonfall an den Tag, sondern sie stimmt mitunter dem Rathauschef sogar zu oder spendet ihm oder der Verwaltung Lob, wenn beispielsweise endlich die lang ersehnten Radständer montiert wurden.

In ihrem neuesten Antrag zeigt sich ihre Begabung, die Charaktereigenschaften des Rathauschefs im Auge zu behalten, besonders gut. Sie wünscht sich, und zwar seit vielen Monaten, eine Möblierung des in ihren Augen tristen Luitpoldwegs, der nur einmal im Jahr zum Leben erwacht. An diesem Mittwoch wird dort wieder "Grünwald leuchtet" stattfinden. Sobald das Fest vorbei ist aber, wird der simpel gepflasterte Weg wieder öde und leer wirken. Reinhart setzt sich deshalb dafür ein, dass dort bewegliche Tische und Stühle aufgestellt werden, auf denen sich die Menschen niederlassen und ins Gespräch kommen können. Ihrem Antrag fügt sie Fotos von guten Beispielen bei. Eines stammt aus Oslo, ein weiteres aus einer französischen Stadt, vielleicht Lyon, das dritte wurde auf dem Times Square in New York aufgenommen. Mit Sicherheit wird sich der Kosmopolit Neusiedl dadurch geschmeichelt und bestätigt fühlen. Und den Antrag vielleicht besonders wohlwollend prüfen.

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Quelle:
SZ vom 11.09.2019
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