Süddeutsche Zeitung

Kultur in Unterschleißheim:Spielen bis in die Puppen

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Das Marionettentheater Bille könnte eine städtische Einrichtung werden. Dann würden in eigenen Räumen auch abends anspruchsvollere Vorstellungen möglich.

Von Bernhard Lohr, Unterschleißheim

"Der Barbier von Sevilla" oder "Die Entführung aus dem Serail": Diese Opern gibt es nicht nur am Münchner Nationaltheater, sondern - etwas kleiner - von Zeit zu Zeit in Unterschleißheim. Florian Bille betreibt in der zehnten Generation das Marionettentheater Bille und hält es mittlerweile auch schon im zehnten Jahr in Unterschleißheim in Provisorien am Leben. Nun soll es dort heimisch werden. Die ÖDP hat einen Antrag im Rathaus eingebracht, ein "Städtisches Marionettentheater" zu schaffen. Es soll ein kultureller Fixpunkt in Unterschleißheim werden.

Die Geschichte des Marionettentheaters Bille geht bis auf das Jahr 1794 zurück. Die Familie erlebte in den vergangenen Jahrzehnten manch dramatische Wendung, die selbst Stoff für die Bühne bieten würde. Kurz vor dem Mauerbau verließ sie die DDR und hatte dann seit den Achtzigerjahren in der Au in München eine feste Spielstätte. Wegen einer Luxussanierung musste das Theater dort raus und stand 2012 vor dem Aus. Der heutige Chef Florian Bille, 36, nutzte Verbindungen nach Unterschleißheim, wo ein Teil der Familie wohnte. So kam das Marionettentheater im Sehbehinderten- und Blindenzentrum an der Raiffeisenstraße unter und nutzt Räume im Isar-Amper-Zentrum am Rathausplatz. Die Stadt hilft auch finanziell. Doch mehr als das blanke Überleben ist so bisher nicht möglich. "Wir sind bis heute heimatlos", sagt Bille.

Raum für Lesungen und Konzerte

Das Marionettentheater bietet fast täglich und manchmal auch mehrmals am Tag Vorstellungen im Sehbehindertenzentrum. Seltener sind die Abendtermine, an denen aufwendigere Inszenierungen wie etwa Mozart-Opern gezeigt werden könnten. Die Räumlichkeiten geben das nicht her. Florian Bille, der auch Konzertpianist ist, hat eine vierköpfige Familie, mit Kindern im Alter von vier und sieben Jahren. "Da muss man sich schon Gedanken machen, was passiert in den nächsten zehn Jahren." Auch deshalb würde Bille gerne in Unterschleißheim Wurzeln schlagen, wo sich mittlerweile viele für das Theater einsetzen.

Ein Förderverein sammelt Spenden. Dessen Vorsitzende Brigitte Knatz ist die Frau von ÖDP-Stadtrat Bernd Knatz. Und letzterer hat jetzt den Antrag eingebracht, dass die Stadt ihren Zuschuss von derzeit 22 000 Euro auf 50 000 Euro im Jahr erhöht. Außerdem soll die Stadt eine Spielstätte nebst Werkstatt und Lager unentgeltlich zur Verfügung stellen. Die Räume könnten auch für Workshops, Lesungen, Kammerkonzerte und andere kulturelle Veranstaltungen genutzt werden. Ein "Kulturzentrum im Kleinen" könnte entstehen, schlägt Bernd Knatz vor. Der Spielplan würde integraler Teil des Angebot des Forum-Kulturbetriebs.

Dann könnte das Theater nach dem großen Wunsch von Florian Bille auch mit einem Abendprogramm zeigen, dass es nicht nur für Kinder eine tolle Sache ist, sondern eine Bereicherung für die gesamte Stadt. So wie es in vielen anderen Städten ist. Ein Beispiel, auf das Bille gerne verweist, ist Bad Tölz, wo sein Onkel seit 2000 seine Puppen in einer städtischen Einrichtung tanzen lässt.

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Quelle:
SZ vom 09.11.2021
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